Feiner Rausch im „Café Altenberg“

Cafés und Ateliers sind Zauberorte, die mich zum Träumen animieren. Die Eingangstüren dienen an beiden Quellen als Fluchttüren. Hinter der verschlossenen Tür kann ich mich vor der Welt da draußen in Sicherheit bringen. Nur hier kann ich, vor der lauten Hektik der Außenwelt, zu Atem kommen. Hier finde ich zu mir. Nur hier sehe ich die vielen Bilder in mir aufblühen. Nur hier treffe ich auf längst verstorbene Freunde. Wie zum Beispiel den Schriftsteller Peter Altenberg.

Unter einem riesigen Mond aus Milchschaum sitzend, starr träumend, wird er durch meinen inneren Blick wieder lebendig werden…Teller aus Porzellan fallen urplötzlich auf den Boden einer Ausstellung und zerspringen. Die verschieden großen Teile schlingern in unterschiedlichen Tonhöhen klingend auseinander.

Zum Verständnis der „schwierigen Bilder“

„Was wollen Sie uns damit sagen?“

Sagen? Mehr denn je frage ich mich, ob Kunst etwas zu sagen hat. Ob sie überhaupt in Übereinstimmung mit einer Ortsbeschreibung zu bringen ist. Sogenannte Experten suchen in der ominösen Kunst stets nach Überschneidungen zwischen meinen persönlichen Schilderungen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten bzw. politischen Strömungen in der Zeit. Ist Kunst aber nicht in Wahrheit (& Lüge zugleich) eine seltsame Expedition, die sich mit Sorgfalt, Hoffnung und einer völlig leeren Meereskarte aufmacht, um etwas zu finden, was nicht zu finden ist? Der Chor der Ältesten befragt mich dazu, man will meinen Namen wissen. Das bedeutet, ich muß, wenn auch widerstrebend, von meinem früheren Leben berichten. Obwohl, ich gestehe, so freudlos gehe ich gar nicht an diese Lebensbeichte heran. Ich trage sehr gerne ein Gemisch aus Wasser und Honig auf sämtliche Malgründe auf; die Bilder, die dadurch entstehen, sie werden so zu meinen Zeugen. Sie sollen und dürfen mich zu der Stelle (ver)führen, woher ich kam. Der ich einst den Rücken kehrte. Denn nur durch diese innere Geisteshaltung vermag ich zu ihr zurückzufinden.

Eine eigene Zeit

Blicke ich auf mein Werk, dann wird mir mehr und mehr deutlich, ich stelle nicht meine Zeit aus. Vielmehr stelle ich mich selber in der Zeit aus. Manche werden sagen, ich ticke ja nicht richtig. Aber nur aus deren Perspektive betrachtet verläuft meine Zeit scheinbar anders, wirken meine Bilder wie aus der Zeit gefallen. Jeder von uns altert halt auf seine ganz eigene Art und Weise. Ich tue das durch ein Sammeln, ein Konservieren, ein Erforschen. Denn dies gehört zu meinem Ausstellungsrepertoire. Ebenso das Kuratieren, ein Vermitteln und Zeigen. Doch wo genau liegt der Erkenntniswert meiner Kunst? Im lebenden Körper verborgen oder auf dem Seziertisch ausgebreitet? In einem Traum wandel ich durch meine eigene Ausstellung, vorbei an beleuchteten Vitrinen und aufgereihten Bildern, geschmackvoll arrangierte Sockel präsentieren die Schätze, die auf einer langen Forschungsreise gesammelt wurden, um das eigene Ich zu entdecken.

„Macht mich anschaubar“ sage ich zu meinen Werken. „Aber nicht durchschaubar“ füge ich hinzu.

Exaltierte Gefühlsformen

Wenn Freiheit bedeutet, dass wir etwas sagen können, dass andere nicht hören wollen, dann ermöglicht Bildende Kunst etwas zu kreieren, was andere nicht sehen möchten. Meine Autonomie als freier Künstler erlaubt es mir sogar Dinge zu malen, die ich selber nicht für möglich gehalten habe. Diese Freiheit nehme ich mir allzu gerne.

Ausgehend von einer wirklich alten Zeichnung meinerseits, die ich als Jugendlicher machte, fast noch ein Kind, und mit Hilfe von einem Freund, der meine (Kinder)Zeichnung in den letzten Wochen einer KI anvertraute, vertiefte ich mich in die Lektüre von Heinrich von Kleist. Seine Texte über das Marionettentheater ließen vor meinem inneren Auge verwirrendste Bilder entstehen.

„Übergänge und Verwandlungen…undurchdringliche Unklarheit des erotischen Verlangens.“ So Stefan Zweig über den Dichter Kleist und seine Kunst. Zweig könnte so auch gerne über mich urteilen.

Welche Folgerungen ich über meine kleinen, dramatischen Burlesken ziehen werde bleibt abzuwarten. Auch diese Freiheit nehm ich mir.