Der Künstler als Schmuggler

Kunst, die den Geist der Autonomie verkörpert, die einfach nur Kunst sein will: ein frei wählbares Geschlecht zwischen Zerstörung und Aufbau? Bin ich das wirklich? Diese Frage stelle ich mir nicht nur heute. Ich stellte sie gestern, wie auch vorgestern. Ständig.

Ich wiederhole: Bin ich das, was andere von mir sagen? Eine Künstler-Seelenrede? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Ein Selbstverhör? Unruhig, krank, wie ein Vogel im Käfig? Hungernd nach Farben, nach menschlicher Nähe? Der Dialog eines Mannes mit seiner Anima? Zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge? Eine Psychoanalyse von Menschen?! Sie leiden unter ihrer Unvollständigkeit. Jeder sucht (s)eine verlorene andere Hälfte. Diese Sehnsucht manifestiert sich in dem erotischen Begehrens des Schmugglers, das auf Vereinigung abzielt.

Letztlich sind es einfache Schmuggler, so wie ich einer bin, die mehr oder weniger heimlich mit Fotografien im Gepäck das Reich der Malerei betreten! Der Philosoph Michel Foucault nennt das „den visuellen Spielen (der Bildenden Kunst) ihre Würze geben“. Was Foucault (wie auch mich) fasziniert, sind die, so seine Formulierung, „androgynen Bilder“, die „schönen Hermaphroditen“, Arbeiten aus fotografischem Abzug und Farbe auf Leinwand oder Papier. Diese Interferenz zwischen Malerei und Fotografie, die wir heute, gelangweilt gähnend, mit dem unpoetischen Begriff der Intermedialität belegen, zeigt sich längt und alltäglich im Schwall der fotografischen Bilder, die sich jeder Kategorie von Autorschaft zu widersetzen scheinen. Die Fotografie, sie ist längst ein offenes Spiel von Bildern der Realität geworden, die allerdings Malern (wie mir) zur Verfügung stehen! Fotos sind eben nicht länger mehr Bilder der Wirklichkeit, sondern sie sind Zeichen einer Wirklichkeit, sind eine Verkettung von Zeichen, die es zu benutzen gilt.

Künstlergeburt

Der Tod tritt mit Sicherheit irgendwann in unseren Kreis, blickt evtl. etwas neidisch auf uns Lebende, wie auch auf die Liebenden, und ruft den nächstbesten auf… Der Tod gilt als ein elender Spielverderber. Wir verstehen ihn nicht. Er ist keiner von uns, keiner von hier. Er ist kein Liebender… kein Gebärender. „Sollte es nicht auch drüben einen Tod geben, dessen Resultat irdische Geburt wäre?“ (Novalis) Herr Bach, bedenken Sie das…und fragen Sie sich: möchten Sie wirklich diese, wollen Sie Ihre Geburt…

Fütterung der Träume

Die Antwort auf die Frage, was mir meine Kunst bedeutet: „erschrecke zuweilen dasz der zu dem ich / spreche nicht da ist, gelbe und rote längliche / Blättchen vom Robinienbaum wehen zur Erde, dann / durch die Quergasse ins BÜRGER CAFE, lesend mit / Blüten und Wolken, o Jesu dein Blut wer kann mich / erretten, mit Eichen bedeckt und seltenen Tannen, dieser / rasche Abschied du eilst zum Wagen die Steine von Syphnos mit / blaugrünen Brauen während die Schnittblumen messer- / scharf in der Wiese, die knallharte Mnemotechnik, Gedächtniskunst, / automatisiertes Hersagen An- und Ausziehen Lesen, tropfe / tupfe auf den Asphalt oder meine knarrenden / Schritte. Das Küchenfenster steht offen mein Hirn / in den Kniekehlen, atme schwer“ (Friedericke Mayröcker) oder auch „Die Fütterung  von Träumen, die mir zusetzen, mehrmals, immer wieder. Vorsichtig.“ Genau so würde ich es beschreiben wollen.

Der falsche Heilige

Der falsche Heilige trägt sein Ohr mitten auf der Stirn. Und präsentiert sich mir in meinem Liebeszimmer. Vor meinem geistigen Auge wird eine violette Decke auf den Atelierboden ausgebreitet. Darauf wird der Heilige gut zur Geltung kommen. Er und sein wundersames Kind. „Sie alle“ denke ich, „sind Opfer ihrer selbst, gierig oder verzweifelt, jeder von ihnen sucht nach der Wahrheit des Lebens“ (Py). Auch der falsche Heilige. Am Nachbartisch sagt jemand mit vollem Mund „Ich brauch einmal am Tag ein Mandelröllchen.“ Die Wahrheiten, die gesucht werden, haben demnach eine Unzahl von Anmutungen. Dort ein skizzierter Heilige. Auf der anderen Seite ein Mandelröllchen. Jeder von uns träumt halt andere Träume. „Das macht doch gar keinen Sinn“ weht es vom Nachbartisch herüber. Die Glocke einer Kirche ertönt. Meine Vorstellungen triumphieren. Sie erregen mich sehr. Erzähl mir also niemand, es hätte keinen Sinn von solchen Bildern und Heiligen zu träumen.

Freie Ausübung von Wort und Bild

„Verrückt sein heißt, nicht mehr an das Wort zu glauben. Insofern kann man heute diese Welt verrückt nennen, die die freie Ausübung des Wortes (die nur um den Preis der Liebe existiert) durch Kommunikation zu ersetzen versucht… Die moderne Welt kommuniziert ohne die Vermittlung der Liebe Informationen, die niemals ein reines Wort zu sein vermögen und den verzweifelten Durst nach Liebe nur vergrößern können“. (Oliver Py)

Unsere Kultur, ein Sichtum durch die Einwirkung edler Gedanken? Ein Auseinanderfallen von „innerer“ und „äußerer“ Sprache? Vergleichbar mit „inneren“ und „äußeren“ Bildern, ist dieses Gefühl eines Auseinanderbrechen eine Klage über das Unaussprechliche, über das Nichtsichtbar machen können des Eigentlichen. Die Worte, die Bilder, ihr eigentlicher Sinn, das Ich, alles treibt sich gegenseitig an… im Kreis herum, immer geradeaus. Aber wer bin ich, dass…? Ich glaube doch noch an die freie Ausübung des Wortes und der Bilder. Immer noch. Täglich.