Wer fasst in seine Faust das Meer?

Die Poesie zu beschwören bedeutet, dass etwas Altes hervorgerufen wird. Meine Bilder machen das ständig, sie fischen nach einem uralten Kern, auf dem Grund einer Seele. Einem Kern, in dem der ganze Sinn (oder Unsinn) des Universums eingeschlossen ist.

… aus dem Meere, beschworen von dunkler Trompete, / Flieg ich im Dunste der Lügengebete. / Das Tympanum schlag ich mit großem Schall. / Ich hüte die Leichen im Wasserfall. / Ich bin der Geheimnisse lächelnder Ketzer, / Ein Buchstabenkönig und Alleszerschwätzer. / Hysteria clemens hab ich besungen / In jeder Gestalt ihrer Ausschweifungen. / Ein Spötter, ein Dichter, ein Literat / Streu ich der Worte verfängliche Saat. (Da schau: Hugo Ball kann ebenso wenig wie ich Auskunft geben, warum wir etwas schreiben oder malen, collagieren oder zeichnen. Beide schwimmen wir bloß unentwegt wie winzige Fische durch das schier grenzenlose Meer der Poesie & Kunst…

Würde jemand von uns wissen wollen: „Und? Wie fühlt sich das Meer an?“, dann würden wir nur antworten können: „Was soll das sein? Das Meer.“)

Ein Name neben anderen Namen

Hans Stettheimer von Burghausen, eigentlich Hanns Purghauser war ein deutscher Meister der Spätgotik. In der älteren Literatur wurde er oft fälschlicherweise mit Hans Stethaimer oder Hans Krumenauer gleichgesetzt. Hans von Burghausen, alias Hans von Stethaimer, alias Camass, alias Meister Chrysokoll oder von Chrysokoll, lernte sein Handwerk vermutlich bei der Wiener Bauhütte oder im „Café Jelinek“. Dort liebte er die traditionellen Gerichte der Wiener Küche wie z.B. Kaiserschmarrn, Apfelstrudel oder Palatschinken. In diesem Café lernte er auch den Schriftsteller Egon Friedell kennen, der meinte, man müsse einen Künstler danach beurteilen, ob er einen weiten Denkapparat habe oder eher einen engstirnigen, das heißt, ob der Künstler unter einem System leide. Hans Stettheimer von Burghausen-Camass gehörte ganz sicher nicht zu jenen, die zwingend logisch in ihrem künstlerischen Tun einem roten Faden folgten. Eher verfolgte er ein vielfarbiges Band, das sich durch sein gesamte Universum schlängelte. Sein Lebensmotto lautete: „Life is short, and it’s time to be free /  Love who you love, because life isn’t guaranteed / Smile“. Mit anderen Worten: Als Kaffeehausliterat war er ein Mensch, der die Zeit hatte, im Kaffeehaus über das nachzudenken, was die anderen draußen nicht erlebten.

Da Ya Think It´s Sexy?

It is very hard for abstraction, or abstract figuration, to be sexy, and if it’s not sexy, it’s not art. Everyone knows that. (Frank Stella and Rod Stewart talk about a picture of me.)

Insekten-Belustigung

Unglaublich lästig. Nervig. Unangenehm durch eine zu laute und obszöne Gelenkigkeit. Wer so über Kunst denkt, der scheint in Wahrheit Insekten zu meinen. Doch „wer einmal angefangen hat, die Insekten etwas genauer anzuschauen, der wird in Betrachtung derselben nicht so leicht müde werden; dann die in ihnen sich äussernde Mannigfaltigkeit schaffet alle Tage ein anders Vergnügen, und belohnet seinen Fleiß immerzu mit neuen Entdeckungen“, so August Rösel von Rosenhof (Naturforscher, Miniaturmaler und Kupferstecher) in seiner vierbändigen „Insekten-Belustigung“.

Und der Dichter Hugo Ball fügt dem oben Gesagten hinzu: „Sie haben Völker und Götter und Mythen untereinander. Althochheilige Bräuche / Und Philosophien. Sie sind Feueranbeter. Sie pflegen den Selbstmord. / Sie fliehen die Erde und deren Plumpheit. Sie sind nicht abzuhalten / Von ihrem Verderben… mit dem Furor der Besessnen und Todgeweihten / Stürzen sie sich in die Magie dieses Feuermeers, hochtrabend und gierig. / Bis sie vom Funken erfaßt aufknistern und prasseln und Schiffbruch leiden / Wie Segelschiffe mit brennendem Takelwerk.“ Vielen von uns erscheint diese (Kunst)Tradition heutzutage längst überholt, nicht zeitgemäß, nicht mehr relevant. Ich finde das alles nach wie vor großartig: „tagtäglich kopfüber in donquichotische Feldzüge gegen den Himmel.“

Look*alike? Was für ein Look*alike?

Wenn ich meine Bilder erklären dürfte. Dann vielleicht so, unter Zuhilfenahme wunderbarer Zeilen des Dichters Novalis, die ich leicht verändert habe.

„Ich sehe mich in tausend Bildern, jedes lieblich ausgedrückt, doch keins von allen kann schildern, wie meine Seele mich erblickt.“

Mit anderen Worten: ich bleibe mir als Camass wohl ein ewiges Rätsel.

In my family

So wird es sein / That’s how it’s gonna be / In meiner Familie / In my family / Vom größten Ast bis zum kleinsten Blatt  / From the biggest branch to the smallest leaf  / Trotzdem wirst du Ähnlichkeit sehen / Still you’re gonna see similarity …

In meiner Familie / In my family / So wird es sein/ That’s how it’s gonna be / Weil es meine Familie ist / Cause it’s my family …

(… so trällern „The Sparks“, eine US-amerikanische Band der Brüder Ron und Russell Mael, und ich.)

Bleib!

Bleib, mein Engel, bleib bei mir! Ich atme dich / bis neuer Mut, / in neuem Geist gebadet, / dein Herz zu einem / neuen Lächeln kräuselt / und du aus der Asche / überlebter Träume / auferstehst und / zu dir selbst erwachst.

(Christian Friedrich Henrici, Peter Horton, sie kennen noch die inneren Helfer und Widersacher, sie horchen, wie ich auch, auf die geheime Führung des eigenen Wesens durch eine besondere Kraft. Durch leise Stimmen, für einen Fremden unhörbar, werde ich geleitet. Es ist faszinierend, was alles im Herzen nebeneinander Platz findet.)

Ein Künstlerrequiem

„Ich verkaufe mich nicht.“

Andere meiner Zunft verkaufen sich gut und gerne. Gerhard Richter zum Beispiel. 2,6 Millionen Euro erhielt er für ein angeblich nicht übermäßig schönes Bild. Aber, bitte, 2,6 Millionen Euro. Wie viel Fantasie und wie viel Zauber liegen in diesen Worten? Und wie wundersam sind die Geschichten, die der Kunstmarkt schreibt, dieser unglaubliche Dschungel. „Verrat‘ mir das Geheimnis, wie die Menschen ASCHE machen… Das möchte ich so gerne wissen, es war doch abgemacht, sei nicht gemein, von ASCHE träum‘ ich die ganze Nacht. Nun sag‘ mir schon das Geheimnis, komm schon und dann lass‘ ich dich in Ruh, die ASCHE gibt mir die Macht genau zu sein wie du…“, stöhne ich; aber kein Richterspruch erlöst mich von all meinen Zweifeln. „People think I’m crazy, ´cause I worry all the time, if you paid attention, you’d be worried too, you better pay attention, or this world we love so much might kill you, i could be wrong now, bit I don’t think so, `cause it’s a jungle out there…“ Ich könnte Monk sein, ein Mönch, so wie Antonius einer war. Ich ziehe mich in meine Atelierhöhle zurück und verkaufe mich nicht. Nachdenklich lausche ich dem Requiem von Brahms. „Herr Richter, lehre doch mich, ich hoffe auf dich, denn des Herrn Richter Wort bleibet in Ewigkeit…“