Blinder Seher

Die westliche Philosophie, schreibt Michel Houellebecq, ist eine lange, geduldige und grausame Dressurvorrichtung, deren Ziel darin besteht, uns von einigen falschen Vorstellungen zu überzeugen. Die erste besteht darin, dass wir den anderen respektieren müssen, weil er sich von uns unterscheidet; die zweite besteht darin, uns glauben zu machen, dass der Tod uns etwas bringt.

Und über sich selbst zu reden ist mühsam und sogar widerlich. Doch in der Literatur (ich füge hier „in meiner Kunst“, als auch „auf meinem BLOG“ hinzu) ist es die einzige Sache, die sich lohnt.

Lady Madonna first

Lady Madonna / Children at your feet / Wonder how you manage to make ends meet…

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Lady Madonna / Baby at your breast / Wonders how you manage to feed the rest…

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Lady Madonna / Lying on the bed / Listen to the music playing in your head / This Thursday afternoon is never endink…

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Flashback…

…beim Hören alter Lieblingslieder oder der Wahrnehmung eines aus der Vergangenheit bekannten Ortes: d.h. Barock ist nicht nur der Honigschlecker in der Basilika Birnau am Bodensee, links oberhalb des rechten Seitenaltars. Soviel sollte einmal klar sein.

Bach_Barock

Nein, auch das Cello ist barock. So geschrieben in „La cognizione del dolore“ (Die Erkenntnis des Schmerzes) von dem Schriftsteller Carlo Emilio Gadda (was wiederum Hans Magnus Enzensberger mir „verriet“). Als denn: das Cello ist ein barockes Instrument: aber was ist ein Cello, verglichen mit einem Kontrabass!

Bach_DingeBarock

Ein Schenkelknochen, samt den zuständigen Knöcheln, ist ein barockes Gebein; die Leber, diese Riesendrüse: ein barocker Blutkuchen; der Buckel des Dromedars: barock; die Kutteln des Prätors Mazurra (wer in aller Welt kennt noch den hohen römischen Beamten aus der Königszeit?) waren barocke Kutteln.

Bach_BarockesViolett

Die Töne, welche eine Posaune, auf fa (im Baßschlüssel) gestimmt, hervorbringt, sind barocke Hervorbringungen; die Bohnen, die Blasenkürbisse, die Riesengurken sind, eins wie das andere, Streifzüge ins Barocke, schreibt Gadda. Und dann erst jene Donnerworte, wie barocke Poeten sie einst verwendeten.

Bach_Blumenkrone

Ich sehe gehörnte Spezialisten, Priester im Ballkostüm, Diebe, Gasmänner, asthmatische Zuhälter, allesamt so barock wie debile Rauschgoldengel. Barock bedeutet die blutige Innerlichkeit der Innereien. Die Eingeweide der Realität sind das labyrinthische Urbild der Sprache von Gadda… barock! O, wie bin ich froh, dass ich kein dünner Hering bin, denn dünn sein ist ’ne Quälerei. Ich bin froh, dass ich so’n barocker Künstler bin, denn barock bedeutet für mich frei zu sein!

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Wunderbarer Besuch von drei Königen in meinem Atelier

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Hatte ich es schon erwähnt? Ich lade gern mir Gäste ein… Und da kommen sie auch schon, meine drei „heiligen“ Könige! Glenn, Friedrich und David…  O, man lebt bei mir recht fein. Man unterhält sich wie man mag. Oft bis zum hellen Tag!

3heiligeKönige

& Wenn ich mit andern sitz‘ beim Wein und Flasch‘ um Flasche leer’, darf jeder mit mir durstig sein. Ob es sich bei meinen drei Besuchern um Weise oder Magier oder Könige handelt, ist mir letztlich völlig gleichgültig. Für mich sind sie, jeder auf seine ganz eigene Weise, schlichtweg unentbehrlich.

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Ach, gern schenk ich in meinem Atelier Glas um Glase ich ein… Und fragen Sie, ich bitte, warum ich das denn tu‘? Nun: ’S ist mal bei mir so Sitte.

DAVID HOCKNEY: Schmeckt Ihnen der Madeira? GLENN GOULD: Ausgezeichnet! FRIEDRICH NIETZSCHE: Mir leider nicht! Früher wirkten noch derlei Reizmittel; jetzt aber mundet mir gar nichts mehr. Ich habe nicht einmal Appetit auf die Liebe.

(Mein Dank gilt Christoph Höffler für die Fotos meines Ateliers. Und meinen drei „heiligen“ Königen für ihre permanente Inspiration.)

Schwachheiten schaden uns nicht mehr sobald wir sie kennen.

Ich gestehe: das Problem bei & mit meiner Kunst liegt darin, dass ich nicht hemmungslos Farben herumschleudere. Nein, ich werfe die Farben nicht wild umher, ich werfe sie eher kalkuliert auf die Leinwand. Das ist schon ein Unterschied. Ich experimentiere auch nicht, ich bin schließlich kein Wissenschaftler; ich mache mir halt so meine Gedanken.

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Und für meine Qualität zahl ich selbst den Preis! Ich ernte Irrtümer, gewinne Erkenntnisse, werde mir fremd und peinlich. Dann aber würde ich mich am liebsten adoptieren, so charmant komm ich mir vor, so stubenrein.

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Am nächsten Tag kann das alles wieder vorbei sein. Mir hilft da kein Wetterbericht. Ein Künstlerbericht wäre schöner. Oder wenigstens eine Schulter, an die ich mich lehnen kann, wenn die nächste, prophezeite Krise sich am Horizont ankündigt…

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Im Traum erschien mir unlängst ein Mann, der mir frech ins Gesicht sagte: „Was nicht innerhalb von sieben Monaten sich finanziell auszahlt, das stirbt.“ Augenblicklich fühlte ich mich schlecht, mein Blutdruck stieg, ich bekam Beklemmungen in der Brust. Gottlob rauschte just in diesem Augenblick Buddha auf einem Longboard heran und meinte zu mir: „Scheiß drauf!“ Danach fuhr er den Mann, der mein Ableben schon beschlossen hatte, noch kurz und dabei milde lächelnd über den Haufen. Was für ein faszinierender Traum: die Experten einfach mal ihrer Lächerlichkeit preisgeben und platt machen! Buddha raste davon und ich winkte ihm nach. Dachte ich. Tatsächlich verteilte ich, einem Dirigenten gleich, mit einem Pinsel Farbakkorde hier hin, wie dort hin; ich hüpfte, ich zuckte, verzog mein Gesicht zu etlichen Grimassen.

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Die Farbsymphonie schwoll an, reicher, satter, barocker, herzhafter. Ein Ozean an Nuancen wurde zu einem einzigen zarten Elfenbeinweiß, von einem Blitzschlag der Erkenntnis erleuchtet: „I am what I am / I am my own special creation / So come take a look / Give me the hook or the ovation / It’s my world…“ & spotten Sie mir ruhig, aber ich beweise mir auf diese ganz besonders paradoxe Art und Weise, dass ich nichts beweisen kann! Wegen mir überlasse ich die Expertise gerne der Horde der Betrachter, die, so formulierte es scharfsinnig Sherlock (Holmes) in der gleichnamigen BBC-Serie: „Das Publikum ist die Schwäche des Genies.“

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Die Blume ist immer schon in der Mandel

Bilde, Künstler! Rede nicht! Nur ein Hauch sei dein Gedicht. Was Goethe uns damit sagen will, ist folgendes: Bewusstes und Unbewusstes laufen oft nicht synchron. Das eigene Selbst wird unterwandert, weil man fremden Vorstellungen folgt. Durch eine offene Bilderwahl könne das jedoch verhindert werden. Und über dieses Bild erforscht man dann seine eigenen Bedürfnisse. In meinem ganz speziellen Fall bedeutet das: „Liebend gerne sonne ich mich im Schatten starker Frauen!“

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Viele meiner gemalten Poesien gelten seit jeher ihrem seltsam gespaltenen Organ und meinen ewig mit diesem verbundenen dunklen Fragen. Unzählige solcher Fragen habe ich schon gemalt, die ebenso, wie meine geliebten starken Frauen, die Wahrheit hinter ihren Augen tragen. Oder diese hinter ihren „Flügeltüren“ gut verborgen wissen. Die jedoch meine Phantasie, meine Farben, wie auch meinen Samen, einer Tür gleichsam einzulassen pflegen… „oh gott / das kann doch / das darf doch / darf doch / kann nicht / darf doch / kann nicht sein / das ist doch wohl / ich muss doch noch / es ist heiß.“  Ich seufze zwanghaft auf. Und ebenso zwanghaft muss ich danach ein längeres Schweigen folgen lassen, geboren aus einer Atmosphäre, die schamrot-fuchsig wird, fast flüssig. Dann folgen wiederholt meine Seufzer, die durch ihr Gestöhne sich ihrer selbst vergewissern. Am Ende bedeutet dies alles aber nur eines: Ich gleite (synchron) als Traumkind in ein Land… das stets neu und wunderbar ist…hingehaucht wie WunderSamt.

Der Souverän („MEA / MAXIMA / CULPA“)

Meine Tränen schlürfe ich bei Bedarf mir aus den Augen. Und meine Seele kämme ich mir immer noch selbst. Wer sollte das auch sonst tun? Die Marktschreier? Diese Seelenverkäufer reizten mich nie wirklich. Lieber waren mir neue Formen, neue Ordnungen und Regeln, die ich im Herzen meines Ateliers erschaffe, mir ausdenke oder auch sogleich wieder verwerfe…

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Keinen Vorgaben bin ich unterworfen. Und einem König oder einer Königin, wenn sie einen Fuß in mein Atelier setzen sollten, begegne ich auf Augenhöhe. Ich bin ein Souverän! Wie sie. Sie dürfen mir ruhig beim Spielen zusehen. Vielleicht inspiriere sie ja und bereichere ihr vom Protokoll verseuchtes Leben. Mögen sie versuchen es mir nach zu machen. Sie werden scheitern müssen. So wie ich immer wieder scheitere. Das gehört zu meiner Autonomie. Das heißt: nicht anders zu wählen, als so, dass die Maximen meiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien. Doch meine Kunst ist niemals allgemein, sie ist nicht gebräuchlich, nicht samt und sonders. Sie ist ein undankbares, beschwingtes Talent, das seines gleichen sucht… immer und immer wieder. Es ist unerhört.