Besuch in einem Escape Room

Nun kommen wir zu dem Teil, wo ich Euch Freunde, die Ihr schlichten Gemütes seid, von Eurem nutzlosen und verpfuschten Leben befreie*. STOPP. Es geht hier nicht um den Joker. Und es handelt sich auch nicht um eine Kritik am Künstler Joseph Beuys, wie man vielleicht voreilig glauben könnte, weil wir dessen Bilder im Hintergrund meines Escape Rooms wiedererkennen. Nein, es geht schlicht um die Fähigkeit eines anderen Künstlers, zu lachen. Mein Lachen soll wirklich niemanden schmälern oder gar vernichten. Es hilft mir jedoch, wie kluge Mitstreiter es einst formulierten, bei humorvollen Gratwanderungen, doppelbödigen Spitzfindigkeiten und einem spielerischen Umgang mit Zitaten aus der Literatur- und Kunstgeschichte. Mag durchaus sein, dass Mark Twain recht hatte, als er sagte: „Die verborgene Quelle des Humors ist nicht Freude, sondern Kummer.“ Allerdings, so will ich das jedenfalls sehen, kann man vieles ohne Humor einfach nicht richtig ernst nehmen.

*Der Joker

Revolution #10

„Dein Leben möge nur ritualfreies Spiel sein … Der kreative Mensch ist immer nur daran interesiert, wie er bei einer Sache wegkommt, es geht also um nichts, nur um die eigene Haut.“  ☛ (so Jonathan Messe, zitiert aus: „Der kreative Mensch“ von Wolfgang Ullrich). Ach, ist dem so, lieber Jonathan? Wenn du von Zerstörung sprichst, von ritualfreiem Spiel, weißt du, dann kannst du mich auszählen. Meine Spielregeln besagen nämlich, dass es schlicht unmöglich ist sich zu überholen. Aber wiederholen kann & darf ich mich zu jeder Zeit.

Der Philosoph Jacques Derrida erklärte mir zudem unlängst, dass nur die Wiederholung ein wahrer Ort der Originalität sei. Denn originell ist etwas, wenn ich zwar dasselbe sage, male & collagiere, aber alles mir zugleich in einem ganz neuen Licht erscheint. Und das tut es wirklich … immer und immer wieder.

„Wer die eigene Kreativität beherzt zum Einsatz bringt, wird nicht länger verzagt und entfremdet leben, sondern erlöst sein können.“ ☛ (aus: „Der kreative Mensch“; s.o.) Meine Originalität gleicht einer wundervollen Sisyphusaufgabe, einer ertraglosen und dabei erfrischend schwer=leichten Tätigkeit, einem nach vorgegebenen Regeln ablaufendes Spiel, ohne einem wirklich absehbaren Ende: also Kunst.

The Stigmata of St. Francis

Dort wo ein Spalt in der Realität sich auftut, wo zuvor noch feste Fugen auseinander brechen, dort treten Triebe an die Oberfäche, die man nicht erwartet hat. Zarte Pflänzchen brechen sich Bahn oder Absonderlichkeiten, die man mal mit Freude, mal mit Abscheu zur Kenntnis nimmt. Manch einer spricht von Unkraut, andere sagen Kunst dazu. Meine botanischen Kenntnisse sind mehr als bescheiden, aber ein Bild wie „The Stigmata of St. Francis“ ist mir auf seine ganz eigentümliche Art und Weise sehr vertraut; fiebrige Formen, übersatte Farben, ein halluzinatorisches Gebilde:

„Francis, geh und baue dein Atelier wieder auf, das, wie du weißt, ganz und gar in Verfall geraten ist,“  mag ich angesicht des Bildes ausrufen. Augenblicklich wird mir bewußt, dass dieses Bild nicht jeden ansprechen wird – kein Kuss der ganzen Welt! – nein, nein, ein Kuss auf ein neugieriges Augenpaar… und schon wird (s)eine Seele gesund – & das reicht mir völlig.

Kluge Sterne

…. Perlen ruhn in Meerestruhn,  / Doch weiß man sie aufzuspüren;  / Man bohrt ein Loch und spannt sie ins Joch, / Ins Joch von seidenen Schnüren.  

Die Sterne sind klug, / Sie halten mit Fug /  Von unserer Erde sich ferne; / Am Himmelszelt, als Lichter der Welt, / Stehn ewig sicher die Sterne. (Heinrich Heine)

Zu einem Geschenk (Für Susanne)

Ich wollte dir was dedizieren, / Nein, schenken, was nicht zuviel kostet. / Aber was aus Blech ist, rostet, / Und die Messing-Gegenstände oxydieren. / Und was kosten soll es eben doch. / Denn aus Mühe mach ich extra noch / Was hinzu…

Ringelnatz & ich )

Belagerung der Hochkultur

Der Dichter kräht, flucht, seufzt, stottert, jodelt, wie es ihm paßt. Seine Gedichte gleichen der Natur. Nichtigkeiten, was die Menschen so nichtig nennen, sind ihm so kostbar wie eine erhabene Rhetorik; denn in der Natur ist ein Teilchen so schön und wichtig wie ein Stern, und die Menschen erst maßen sich an, zu bestimmen, was schön und was häßlich sei.

„Écriture automatique“ nannten die Surrealisten (wie zum Beispiel Hans Arp im obigen Zitat) das automatische Schreiben, das frei und ohne Sinnkontrolle vonstattengehen sollte. Im „Cadavre Exquis“ wurde zum automatischen Schreiben ein visueles Gegenstück gefunden. Ich halte mich nun wirklich nicht für einen Surrealisten und ebenso wenig ist nicht eins meiner Bilder ein „Köstlicher Leichnam“. Und doch kommt es mir oft so vor, als würden meine Bilder einer „Niederschrift“ gleichen. Wie bei einem Gedächtnisprotokoll (oder noch besser wie in meinen Tagebüchern) zeichne ich auf, halte ich fest, was mir zu einem bestimmten Zeitpunkt, am Tag (oder in der Nacht), wichtig erscheint. Dabei krähe, fluche, seufze, stottere, ja, ich jodel auch, wenn mir danach ist, und spucke sogar darauf, ob mein Protokoll eine positive oder negative Beweiskraft besitzt. Das ist doch das wunderbare, das zauberhafte an der Kunst: alles gleicht einem Versuchsprotokoll, bei dem ich gegebenenfalls Beobachtungen und visuelle Erklärungen zu einer Beobachtung wiedergebe, wie hier zur Belagerung der Hochkultur. Giottos „Vertreibung der Teufel aus Arezzo“ gefiel mir… ebenso mein fiebriger Identifikationsgedanke, dass unsere Zeit vielleicht all die guten Geister aus der Kultur vertreibt, die wir uns so mühsam errichtet haben. Aber, ach, wer bin ich, dass…? … Laut Protokoll bin „Ich…(angeblich nicht) Arnaut, der den Wind liebt / und Hasen jagt von einem Ochsenkarren aus / Und schwimmt gegen die Strömung.“ (Dante)

Wer bin ich dann?

Ich bin und bleibe einzig und allein der Protokollant meiner Täume.

Drei Arten, vom Mittelaler zu träumen

Wann beginnt man, vom Mittelalter zu träumen, fragt Umberto Eco in „Über Spiegel und andere Phänomene“ und beantwortet seine Frage selbst mit: Selbstverständlich erst wenn, nimmt man das Mittelalter als einen Tag, der Tag zu Ende ist und die nächtliche Aufarbeitung in ihren natürlichen Formen des Traumes beginnt.

Eco sieht im Mittelalter einen gefräßigen enzyklopädischen Pluralismus, den das Mittelalter mit unserer Zeit verbindet. Mag ja sein, pflichte ich dem Autor zu. Mir jedoch verhalf schlicht ein Buch über den Maler Hans Holbein d.Ä. bei der Motivation, über das Mitelalter träumen zu können; bei und unter der Mithilfe Holbeins träumte ich die Träume aus dem sogenannten Herbst des Mittelalters. Das Mittelalter sei, so Eco, stets ein Zeitalter der Widersprüche gewesen, eine Epoche des Übergangs. Und Umberto Eco ruft deshalb aus: lang lebe das Mittelalter und sein Traum, solange er kein Schlaf der Vernunft ist. Monster, so fügt er noch hinzu, haben wir schon genug erzeugt.

Ich blicke auf meine Bilder, diese zauberhaften Monster meines Alltags und frage mich, ob ich alles richtig verstanden habe… Aber muß ich das überhaupt? Vernünftig ist hier nichts… Wenn ich es schon verkehrt mache, dann aber richtig. Geordnetes Denken verwelkt unter meinen Händen, der Sinn für eine übergeordnete Realität löst sich in Rauch auf, zurück bleiben einzig und allein Bilder, auf dass, wer das Schönste sucht von jetzt und je / In ihrem holden Farben unverwandt / In ihrem holden Formen den Himmelsrand / Die Meereslinie ihrer Seele seh’.

Genauso. Nicht anders.

Höhenlinien-Madonna

Dem Bild, das ich vor einigen Tagen anfertigte, gab ich recht intuitiv den Titel: „Vision einer Höhenlinien-Madonna“.

Erst jetzt, wo ich den Text hier schreibe, weiß ich: Ein Bild aus uralten Zeiten, das kam mir in den Sinn… Eine Frau (gemalt von Hans Holbein d.Ä.) betrachtet Linien, die sich hell in der Dunkelheit abzeichnen, in die sie zu blicken scheint. Diese Vision, diese wundersame Erscheinung, dieser Anblick einer Marienfigur (wie es mir erscheinen will) im Zentrum all dieser Linien, das Zentrum als der Ursprung der eigenen Welt, schenkt der Frau, so denke ich, ein subjektives bildhaftes Erleben. Etwas sinnlich nicht Wahrnehmbares, etwas das aber denoch real erscheint und in einem religiösen Sinne auf die Einwirkung einer jenseitigen Macht zurückgeführt werden kann, tut sich vor ihr auf…

Ich mag an meine Kunst, an unser Kulturverständnis denken…