Vor einigen Tagen war ich im Theater. „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennesse Williams stand auf dem Programm. Ein älteres Pärchen, das eine Reihe schräg vor mir saß, zuckte bei den deftigen Beschimpfungen, den ordinären Äußerungen auf der Bühne ständig zusammen. „O, darf man denn so etwas sagen…?“ wurde geflüstert. Soviel „Lebenskorrektheit“ von solchen „Gutmenschen“, dachte ich. „Ficken“, „Bumsen“, „Schlampe“ etc… solch ein Vokabular hatten die beiden offensichtlich verbannt, besiegt oder einfach negiert. Somit fehlen den beiden nun wirklich schöne und ausdrucksstarke Worte. Ich selber würde ungern auf das Wort „ficken“ verzichten. „Schwarzwälderkirsch-Torte“ dürfte wegen mir verboten werden, aber nicht „ficken“. Das wäre ja so, als ob man aus den Comics dieser Welt die lautmalerischen Ausdrücke verbannen würde. „BOING“, „ZACK“, „BUMS“… die Welt wäre doch fade, würde man solche Worte verbieten, weil man unbedingt politisch oder sonst wie korrekt seien möchte. Ich glaube wirklich, dass Leute, die unflätige Worte auf den Index setzen wollen, auch zu Konzerten von Lang Lang gehen. Beweisen kann ich das nicht. Es ist mehr so ein Bauchgefühl. Aber ich bin mir sicher: wer nicht mehr ans „ficken“ glaubt, der liebt am Ende Lang Lang…weilig.
Archiv für den Monat: April 2015
Meine Sonntagsfrage
Der Verfall der Aura des Kunstwerks, wie ihn Walter Benjamin im Jahr 1936 im Hinblick auf moderne Reproduktionstechniken beschrieb, kann als Ent-Ikonisierung interpretiert werden. Bereits in den Massenkulturen des 20. Jahrhunderts entstanden jedoch Bilder, die – religiösen Ikonen entfernt vergleichbar – übergeordnete Werte und Sinndeutungsmuster symbolisch verdichteten und, begünstigt durch neue Arten der Vervielfältigung, eine Aura des Mythischen erlangten.
Die Definition von „Ikonizität“ konzentriert sich dabei stark auf Fotografien, die mit einer orthodoxen Ikone zunächst ihre Zweidimensionalität sowie ihre (vermeintliche) Entstehung ohne interpretierenden Eingriff durch Menschenhand gemeinsam hat. Das Abbilden, also das Festhalten und die damit einhergehende „Entzeitlichung“ eines bestimmten Moments ist der diesen Überlegungen zu Ikonizität gemeinsame Grundgedanke.
Aber auch die Intensität eines solchen Augenblicks ist entscheidend für die ikonische Macht eines Bildes. Mit anderen Worten: Where are the clowns? Send in the clowns.
Neu das Licht
Wenn neu das Licht der Erde sich gezeigt, Von Frühlingsreegen glänzt das grüne Thal und munter Der Blüthen Weiß am hellen Strom hinunter, Nachdem ein heitrer Tag zu Menschen sich geneiget.
Die Sichtbarkeit gewinnt von hellen Unterschieden, Der Frühlingshimmel weilt mit seinem Frieden, Daß ungestört der Mensch des Jahres Reiz betrachtet, Und Vollkommenheit des Lebens achtet.
Mit Untersthänigkeit Scardanelli, Merz 1842
Ohne Worte
Die frühen Gräber
Kunst. Was bedeutet Kunst? Wenn sie mich mag, ist sie wie ich, ist sie ich! Dann fängt sie an zu sagen, sie sei meine Schwester, meine Frau, sie sei eine Frau Braut. Sie sagt, sie sei Camass. Ich bin Leben. Sie ist die Braut des Lebens. Sie nimmt meine Eigenarten an… Sie denkt die Gedanken a, b, c, … Ich äußere sehr ähnliche Gedanken: a1, b2, c3. Das heißt: ich stehle ihre Gedanken. Ihre Kunstgedanken. Und vertraue sie dem Papier an. LIVE. It is live. It is LIFE, LIFE, LIFE. Himmel aus Leinwand. Seitenweise Gräber, gefüllt mit Tusche…
„als was man unter anderem reden kann: als arzt, als Bruder, als einer, der es gut meint, als deutscher, als freund, als verantwortlicher, als kleiner mann… als gerhard roth, als meine schwester camass, als wahrhaft lügender… denn jeder versuch, das private in eine verständliche sprache zu bringen, ist zum scheitern verurteilt“ Man muss mit der Kunst scheitern. Jeder scheitert! Und wird verrückt daran. Die ganze Welt ist verrückt.
Das Sündenhaus
„Die Welt, das Sündenhaus, bricht nur in Höllenlieder aus und sucht durch Hass und Neid des Satans Bild an sich zu tragen, ihr Mund ist voller Ottergift, der oft die Unschuld tödlich trifft, und will allein von Racha, Racha sagen. Gerechter Gott, wie weit ist doch der Mensch von dir entfernt, du liebst, jedoch sein Mund macht Fluch und Feindschaft kund und will den nächsten nur mit Füßen treten, ach, diese Schuld ist schwerlich zu verbeten.“
„Gewähre uns noch einen Tag & eine Stunde dem Helden dieses Traums der uns heilt & führt. Vergebt mir, Schwarze die ihr euch vereinigt während ich Angst habe & sanft ins Dunkle falle“
(Texte: Johann Sebastian Bach, Kantate BWV 170, Rezitativ & Jim Morrison, Segnungen/“Blessings“ )
KUNST KURZ UMRÜHREN
Auf einer Experten-Tee-Homepage finde ich die Überzeugung festgehalten, das Tee inspirierend sei. Er verzaubere die Menschen! Ob nun jung oder alt, Business-Man oder Hausfrau, Rocker oder ein Beethoven-Fan, Tee würde für jeden Menschen ein Quell der Entspannung und Inspiration sein. Es sei egal, ob man den Tee alleine oder in Gesellschaft genießen würde. Tee sei ein wundervoller Begleiter! Im Sommer, wie im Winter! Er vertreibe Kälte und Einsamkeit. Tee mache alles möglich und sollte darum in aller Munde sein. Wichtig wäre allerdings: Alle Teesorten sollten nach dem Ziehen kurz umgerührt werden! Genau dasselbe sollte man, denke ich, auch über Kunst sagen: KUNST KURZ UMRÜHREN.
Der Künstler, er häute sich alle neun Jahre. Alle neun Monate; alle neun Wochen verwandle sich der Künstler. Alle neun Tage; alle neun Stunden folge eine Veränderung. Alle neun Minuten, alle neun Sekunden… ein Neubeginn. Ein Künstler laufe alle neun Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden, Minuten… seiner Verwandlung hinterher. Daher gilt: KUNST KURZ UMRÜHREN. Es lohnt sich.
Meditation über das beste Rezept fürs Erdenleben
Was ist… das beste Rezept für ein Erdenleben überhaupt…?: „Aufs Dorf ziehen. Doof sein. Rammeln. Maul halten. Kirche gehen. Wenn n großer Mann in der Nähe auftaucht, in n Stall verschwinden : dahin kommt er kaum nach ! Gegen Schreib= und Leseunterricht stimmen; für die Wiederaufrüstung : Atombomben!“ So zetert mein Freund Arno Schmidt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm zustimmen würde. Ein anderes Zitat fällt mir während meiner Meditation ein. John von Düffel legte es Karl Lagerfeld in den Mund. Es lautet: „Ich bin kein Philosoph, wie gesagt, ich zeichne nur.“ Dem stimme ich hundertprozentig zu. Das beste Rezept für ein Erdenleben lautet für mich: zeichnen! Mit anderen Worten: Ich zeichne, also bin ich.