Provokation durch Tradition

Die Jagd ist so alt wie die Menschheit selbst, aber die Gründe, in einem Land wie Deutschland zu jagen, sind außer der puren Lust an der Jagd und dem Sein in der Natur in Wahrheit das Bestreben, ein gestörtes Selbstwertgefühl in den Griff zu bekommen. Künstler gelten in bestimmten Gebieten als eine regelrechte Plage („Diese Schweine!“); aber nur weil sie sich an der eigenen Phantasie mästen. Natürlich können Künstler auch „regelrechte Schweine sein“, aber daraus einen höheren Auftrag oder gar ein höheres gesellschaftliches Ansehen für sie abzuleiten ist einfach absurd. Ebenso unwürdig ist allerdings auch die Angstmacherei vor Künstlern. („Die wollen doch nur spielen.“)

Die Weisheit meines Vaters

Mein Vater meinte vor etlichen Monaten, dass Künstlertum warten lernen bedeutet.

Was, wenn Künstlertum auch bedeutet zu lernen, sein eigenes Scheitern zu akzeptieren? Oder, was noch schwieriger wäre, zu lernen, das eigene Scheitern zu verleugnen. Diese drei Überlegungen drehe ich wie Glasmurmeln zwischen meinen Fingern hin und her, halte sie abwechselnd gegen ein Auge, blinzel hindurch und entscheide mich: Ich werde warten! In dieser Übung habe ich in den vergangenen Jahren schon große Fortschritte gemacht. Vor allem auf Bahnhöfen. Bahnhöfe bereiten einen sozusagen aufs Künstlertum vor. Wenn der Zug einläuft, dann ist das der Erfolg. Und selbst wenn der Zug mächtig Verspätung haben sollte, man freut sich doch, dass er endlich da ist.

Drei gute Gründe

Meinen Vater habe ich in den letzten Monaten immer wieder aus drei verschiedenen Gründen porträtiert. Einmal aus Lust. Ein anderes Mal aus Liebe. Und ein drittes Mal, damit ich ihn nicht vergessen.

Er will mir etwas sagen, hält inne…legt eine Faust an seine Schläfe. Es wird ein Stück gespielt, denke ich, dass nie zu Ende gehen kann. Denn der Spieler steht auf der Bühne, schaut mich direkt an und… und…? Die Worte in ihm, fühle ich, beginnen vollends zu verschwinden, zu verblassen. Doch ich warte geduldig. Ich schaue in seine Augen, die inzwischen von Dunkelheit getrübt sind. Danach blicke ich traurig zu Boden. Den Schlusssatz wird er mir wohl schuldig bleiben. Aber wir wissen beide schon längst: es reicht eine Umarmung.

Ich male weiter. Einmal aus Lust. Ein anderes Mal aus Liebe. Und ein drittes Mal, damit ich nicht vergessen.

Schneewittchen

Schneewittchen und die 7 Zwerge. Oder einfach nur: „Gang Bang.“

Gangbang (oder auch Gang bang) steht hier für eine Spielart des Gruppensex. Vielleicht ist diese kleine, schüchterne Erklärung aber auch nur wieder ein weiteres Märchen. Wie bedauerlicherweise so vieles in unserem Leben…

Ich habe mich übrigens dem Phänomen „Gang Bang“ gerne einmal (aber leider nur rein theoretisch) genähert. Und dabei mit Betroffenheit festgestellt, dass sich die Personen, die sich in diesem besonderen Spiel um Sehnsucht und Geilheit übereinander schieben, selten richtig begrüßen. Es wird geschnauft. Aber eben nicht richtig gegrüßt.

Okay… manchmal ist es einem lästig, zu grüßen. Vor allem dann, wenn man gerade voll am „&%!!+!“ ist. Oder… zum Beispiel deswegen, weil man vielleicht einen Schirm in der einen und ein Paket in der anderen Hand trägt…

Sich der Grußpflicht in einem solchen Fall zu entziehen, indem man so tut, als bemerke man den zu Grüßenden nicht, ist ein Experiment, das immer daneben geht. Es ist nämlich zu durchsichtig.

Außerdem ist der Versuch, sich der Grußpflicht zu entziehen, deshalb auch linkisch, weil man bei anderweitiger Beanspruchung beider Hände ja nicht eine Hand umständlich befreien muss, um den Hut zu ziehen.

Man kann in einem solchen Fall ruhig mit einem verbindlichen Lächeln und einer netten Verbeugung den Gruß auch mit dem Hut auf dem Kopf vollziehen. Nur ein dämlicher Partner wird sich daran stoßen. Tja… stoßen, das wird er…

(Diese kleine grafische Reihe „widme“ ich meinem Freund Sven Pacher! „Lieber Sven, Du hast diese Art der Collage ja inzwischen regelrecht kultiviert: Folie auf Folie auf Folie auf Papier. Du weißt, ich liebe Deine Arbeiten. Und: Wir sollten unbedingt mal wieder mit einander frühstücken gehen. Ruf mich an!“ )

In der Ausstellung

Der Besuch von Museen und insbesondere von Kunstausstellungen sei nur demjenigen empfohlen, der für das zur Schau Gestellte das nötige Interesse und Verständnis aufbringt (Dies gilt selbstverständlich auch für meinen BLOG)!

Menschen, die nur hingehen, damit sie sagen können, sie seien dort gewesen, fallen sogleich auf. Man merkt es an der Art, wie sie die Dinge betrachten, dass sie ihnen verständnislos gegenüberstehen.

Die Verständnislosigkeit kann aber auch bei sehr künstlerisch veranlagten, normalen Menschen eintreten. Sie brauchen nur einmal in eine Ausstellung zu gehen, wie sie kubistische oder überrealistische Bildner von Zeit zu Zeit veranstalten.

Es wäre unrichtig vom Verfasser, über diese Art von Darstellungen Ungünstiges zu sagen, denn man soll jedem seine – wenigstens vorgeschützte – Meinung oder Überzeugung lassen, sofern sie einen nicht belästigt.

Unrichtig ist es, Kinder in Kunstausstellungen mitzunehmen, weil sie noch nicht die nötige Reife für eine Kunstbetrachtung aufbringen können.

Wer eine Kunstausstellung besucht, darf sich nicht darüber aufhalten, dass man Schirm, Stock, Tasche, Pakete und dergleichen in der Garderobe abzugeben bittet. Es gibt Leute, die meinen, wenn ich schon „etwas für die Kunst tue“ und einen Eintrittspreis im Museum bezahle, dann soll man nicht noch von mir Garderobegebühren einheben. Solche Leute sollten auch lieber zu Hause bleiben.

Denn erstens müssten sie wissen, Dass ein Kunstraum eine Art von Tempel ist, der seine gewisse Weihe hat und vom Besucher verlangt, diese zu berücksichtigen. Dann sollten diese Leute bedenken, dass sie ja auch nicht eine Wohnung betreten würden, ohne Schirm, Stock und Pakete abzulegen; schließlich sollten sie sich darüber klar werden, dass es die Aufseher es nicht leicht haben, aufzupassen…

Schließlich könnte man ja auch ein Dieb sein und einen Gegenstand stehlen und der Überrock oder Schirm usw. könnte den Gegenstand gut verbergen.

(Dieser überaus unterhaltsame Text stammt aus: „Der gute Ton von heute“; Gesellschaftlicher Ratgeber für alle Lebenslagen; 1953) (Ich glaube, ich werde mit diesem Text auf Lesetournee gehen. Und seine lustige Wahrhaftigkeit hinaus in die Welt trällern und jubilieren.)

Vielredner

Gemeint sind hier nicht Leute, die berufsmäßig oft Reden halten müssen, sondern Leute, die solche Reden gerne übermäßig ausdehnen, dann Leute, die gewohnheitsmäßig keinen Augenblick schweigen können und solche, bei denen die Redseligkeit nur Vorgabe ist, während sie lediglich einen bestimmten, verborgenen Zweck verfolgen. Ahhh…jaa… ich überlege…! Aber was, wenn man berufsmäßig viele Reden halten muss, gewohnheitsmäßig viel zu viel redet und vor allem viel zulange redet (selbst dann, wenn man nur nach der Uhrzeit gefragt wird)? Dies würde vielleicht nur deshalb getan, weil man einen bestimmten, verborgenen Zweck verfolgt, nämlich den: man möchte unterhalten! Zu so einer Beschreibung (einer mehrfachen Randgruppe) fällt mir jetzt gerade nur ein einziges Gesicht ein:

Man behauptet, dass alle diese Leute (s.o.), die zu viel und zu lange reden, wissen sollten, dass es nur gute Erziehung ist, wenn man ihnen mit scheinbarem Interesse auf die Dauer zuhört. In Wirklichkeit sind sie den anderen Menschen ebenso zuwider, wie etwa ein Motorrad denen zuwider ist, die gerne Ruhe und gute Luft haben. (Aha. Ich glaube, jetzt verstehe ich gerade erst diese bodenlose Stille um mich herum.)

Konfirmation, Kunstverständnis und Erdbeerparfait

Achtung:

Nur die Erinnerung an Texte (und seien es zum Beispiel auch nur unsere Lieblingsrezepte für Süss-Speisen) lässt uns moderne Kunst verstehen. Ja, ja… die eigentlichen Bilder, sie stehen für sich allein. Ganz allein…

Die Texte umschmeicheln die Bilder allerdings, bestürmen sie, vergewaltigen sie, erhöhen sie von Zeit zu Zeit gar ins Göttliche oder ins absolut Monströse. Oder sie erzählen uns schlicht und einfach Märchen.

So lese ich heute zum Beispiel in einer Zeitung, dass die Kunstakademie in Düsseldorf wieder einmal ihre Pforten geöffnet hat. Und das kunstaffine Publikum strömt hinein, als wäre es ein kostenloser Zoobesuch.

Im besagten Artikel erfahre ich weiter, dass die jungen Maler der Klasse XY sich gegen die neuen Medien der Klasse YZ verteidigen. Das habe ich nicht verstanden! Das kommt mir vor, als ob jemand, der für sein Leben gerne Obst isst, nur einen Apfel in seinem Garten vom Baum pflückt… Birnen, Pflaumen, Erdbeeren aber ständig missachtet. Von einem Gedanken an „Obstsalat“ ganz zu schweigen!

Die „Obstsalatapostel“ dagegen besorgen sich ihren Fetisch ständig nur beim Discounter. Sich selber etwas zusammenstellen, das Obst nach eigenen Ideen mit Honig, Nüssen und ein wenig Whiskey variieren, das kommt niemanden in den Sinn. Nein, ein Obstsalat ist ein Obstsalat nur dann, wenn auch Obstsalat drauf steht. Schade.

Der erste Mensch, der auf seine Erdbeere Frischkäse tat und beides noch mit Pfeffer bestreute, welcher Klasse gehörte der wohl an? Wahrscheinlich war er ein Außenseiter. Die Erdbeerklasse wollte mit ihm nichts zu tun haben. Die Frischkäsler mieden ihn so gut es nur ging. Und die pfeffrigen Mitmenschen machten sich böse über ihn lustig.

Unser Künstler hatte aber seinen Jean Paul Sartre gelesen und sagte sich: „Wer Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.“ Also mein Vertrauen hat dieser Mensch. Ich lass mir doch von niemandem vorschreiben, wie ich meine Erdbeere zu essen habe. Wenn ich eine sauber gewaschene, abgetropfte Erdbeere im Mixer püriert habe und mit 1 Flasche Weißwein aufgefüllt habe, dann soll mir niemand sagen, dass man Erdbeerparfait aber anders macht. Ich lege das Ganze ja auch nicht  für 15 – 20 Minuten ins Kühlfach. Nein, ich schlürfe das Zeug direkt. Das ist eben meine Kunst!

(Eine Himbeere oder (was noch verrückter ist) auch eine(!) Johannesbeere können auf die gleiche Weise zubereitet werden. Falls die Kerne zu sehr stören, dann könnte man auch eine Banane nehmen, denke ich. Aber eine pürierte Banane im Weißwein? Ist es das wirklich? Na, einer muss den Anfang machen. Vielleicht wird am Ende ein Trend draus.)

So… und wenn mich nun noch jemand fragt, was denn meine Bilder hier im Artikel mit dem komischen Text zu tun haben, dann werde ich diesen Menschen fragen, ob er schon einmal eine Erdbeere mit Frischkäse und Pfeffer probiert hat… oder ob er ein bestimmtes Zitat von Sartre vielleicht nicht richtig verstanden hat. Wie gesagt, nur die Erinnerung an Texte erklärt uns die (moderne) Kunst…

Ach, übrigens: Richten Sie, wenn Sie mögen, Ihr Erdbeerparfait ruhig in Gläsern an. Und stellen Sie es dann noch für besagte Zeit in ein Tiefkühlfach. Mir hat das nie was gebracht. Aber ich weiß ja nicht, welcher Klasse sie sich unbedingt zugehörig fühlen wollen.

 

Der verwundete Heiler

Chiron. Cheiron. Oder auch: Der verwundete Heiler :

Es gibt immer wieder Bilder, zu denen ich eine ganz besondere Bindung habe. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Oft entstanden sie zu bestimmten Zeiten, an denen sich für mich künstlerisch oder auch menschlich wichtige Dinge änderten. Solche Bilder, davon träume ich, würde ich gerne einmal in einem Buch zusammen führen, auch um ihre jeweils ganz spezielle, eigene kleine (Kunst-) Geschichte zu beschreiben. So würde bestimmt eine ungewöhnliche, bebilderte Biografie von mir selbst entstehen.

Ich zeige mir meine Bilder und sage mir, wer ich bin.“  Bilder als Seinsspuren? So ungefähr. Denn zwischen dem Menschen und seiner Kunst zu unterscheiden, so behauptet man gerne, dies wäre sehr leicht. In meinen Augen ist das aber nicht so einfach umzusetzen. Denn bestimmt nicht die Kunst gleichzeitig die Wahrnehmung meines ganzen Lebens? Oder umgekehrt: bestimmt meine Art zu leben, zu denken, zu sprechen, zu schreiben am Ende nicht meine ganze Kunst? Es lohnt sich darüber nachzusinnen… (…)

Und wenn ich das tue, meine ich stets, es wäre einfach schön, wenn am Ende um die 50 Arbeiten (Leinwände, Grafiken, Collagen, Zeichnungen…) zusammen kämen, die ich als Landmarken meines künstlerischen Weges bezeichnen könnte. Warum diese spezielle Zahl? Warum exakt 50 Arbeiten? Ich weiß es nicht. Aber wie dem auch sei: In der imaginären Liste, die ich mit großem Eifer in meinem Kopf von Zeit zu Zeit zusammenstelle, wechseln sich die wichtigen Bilder ständig ab. „Alle Dinge wenden sich um “ schrieb Gottfried Benn, „alle Begriffe und Kategorien verändern ihren Charakter in dem Augenblick, wo sie unter Kunst betrachtet werden…“  Ich will aber meine besonderen Bilder (bzw. meine Arbeiten) weniger unter dem Kunstblickwinkel betrachten, als vielmehr als meine (Lebens-)Beweise. Ich betrachte sie viel eher als „Keime des Glücks und Keime der Trauer “ (Benn). Nur wenige meiner Arbeiten, die mir für mein Projekt einfielen, blieben bis dato hartnäckig auf der Liste stehen. So zum Beispiel „Der Gott meiner Liebe war sterblich“. Oder „Die Männer mordende Sopranistin“ [Klingt wie ein Roman von Simenon]. „Lauf, Pferdchen, lauf!“, einige Arbeiten aus der Werkreihe der „Schönen Hermaphroditinnen“ oder eben auch „Der verwundete Heiler“ :

(Internet-Screenshot: Wikipedia)