Zum Schluss kommen

Mein BLOG führte erfreulicherweise auch in diesem Jahr wieder zu einigen Reaktionen. U.a. schrieb man mir; „Es hat mich gefreut und freut mich immer noch, in diesem Jahr Deine Bekanntschaft gemacht und dadurch kurze Einblicke in Dein Kopfkino bekommen zu haben, welches Du auch geistreich, mit Pinsel oder Zunge, mitzuteilen weißt. So oder so, ich finde Du machst viele interessante Dinge, die für mich alle miteinander die gleiche Stoßrichtung zu haben scheinen – ich nenne es mal  „bittersüßen Seelenfick“…“

Herrlich!!! Was für ein Kompliment! Bittersüßer Seelenfick! Genau das ist es doch, was ich so sehr mag…Und genau darum gehe ich Tag für Tag in mein Atelier und vergehe mich dort genüsslich-bittersüß an meiner Seele. Solange, bis sie mich endlich erhört.

Mit anderen Worten: Ich muss hier zum Ende kommen, damit ich direkt im nächsten Jahr wieder anfangen kann!

( … )

Bis dann also. Und uns allen… EIN GUTES NEUES JAHR

Veröffentlicht unter Kunst

Fast am Ende (des Jahres)

„Das Umherschweifen des Schizophrenen gibt gewiss ein besseres Vorbild ab als der auf der Couch hingestreckte Neurotiker. Ein wenig freie Luft, Bezug zur Außenwelt. Beispielsweise die Wanderung von Büchners Lenz.“ So schreibt jedenfalls Gilles Deleuze. Was aber, wenn nichts mehr geht? Dann liegt man Ende des Jahres aber dumm da und starrt, weil man Glück hat nur noch die Decke an. Der organlose Körper wäre übrigens auch ein bilderlose Körper, sagt der Philosoph. Besser also, dass ich weiter Bilder (er)schaffe. Dann bin ich nämlich… so intensiv lebendig.

Intensive Gefühle von Verlangen und Durchquerungen werden oft als Halluzinationen (Ich sehe, Ich höre) und Delirium (Ich denke) beschrieben, die ein Subjekt erfordern: Ich fühle.  (Gilles Deleuze)

Eigentlich sind Delirium und Halluzination sekundär in Bezug auf eine wirklich primäre Emotion. Am Ende geht es nur um die Erfahrung von Intensitäten, Entstehungen, Durchquerungen. (Felix Guattari) Zitiert aus: Kontinentale Philosophie; INFOcomics

(Siehe auch Artikel „Sommerloch (SelbstERROR)“ vom 28.9.2011)

Reise durch mein Zimmer

Weihnachten (ich hatte es schon geahnt) kam auch dieses Jahr wieder schneller, als ich dachte! Und deshalb hatte ich mich (sicher ist sicher) schon am Samstag, den 14. Dezember 2013, in meinem Atelier mit Freunden zusammengesetzt, um die gemeinsame (Vorweihnachts-) Zeit zu genießen! Oje, du Fröhliche…? Nein! Ganz im Gegenteil!!!

Mit Britta trug ich ein kleines Stück vor, das wir beide in den letzten Wochen geprobt hatten. Sein Titel lautete: „Apokalypse privat (Reise durch mein Zimmer)“; mit Texten u.a. von Xavier de Maistre, Per Olov Enquist und Patrick Roth. Britta begleitete mich wunderbar und einfühlsam mit dem Akkordeon auf der „Reise durch mein Zimmer“.

„Süße Einsamkeit. Ich habe die Reize kennen gelernt, mit denen du deine Liebhaber trunken machst. Wehe dem, der nicht einen einzigen Tag seines Lebens allein sein kann. Ich will es jedoch frei bekennen: ich will nur morgens Einsiedler sein. Abends sehe ich schon gerne wieder menschliche Gesichter… 

Oft gehe ich in der Dämmerung durch mein Zimmer, zum Spiegel hin. Muster eingehend mein Gesicht. Dann nehme ich den schwarzen Kohlenstift aus meinem Schrank und ziehe langsam einen schwarzen Strich senkrecht über ein Auge, einen Clownstrich. Dann noch einen Strich über das andere Auge. Ich mustere mein Gesicht, immer eindringlicher, als habe ich plötzlich etwas entdeckt…

Bevor ich aber nun äußerst siegessicher in mein Zimmer zurücktrete, werfe ich noch ein Blick auf die Stadt…

Ich sehe eine Straßenecke. Nach Feierabend. In der Gegend wird überall noch gebaut. Auch an dieser Ecke: Ein Gebäude, das tagsüber verputzt wird. Luftige Bahnen aus durchsichtigem Kunststoff umhüllen das große Baugerüst. Die Ecke selbst: menschenleer. Sekunden so.

Da kommt, eiligen Schrittes, ein junger Mann ins Bild. Rennt über die Straße. Ist schon nicht mehr zu sehen. Stille.

Aus der Ferne hört man ein Moped. Das näher kommt. Vorbeiknattert. Das Geräusch verweht.

 

Da! Ein Passant… Geht durch das Bild ohne zu halten. Bei der Ecke am Bordstein: Steht eine Tonne. Eine Regentonne, denkt man. Gehört sicher zum Bau. Jemand tritt ins Bild und – auch er läuft vorbei. Nein, nicht ganz. Jetzt bleibt er stehen, sieht sich um. Zögert… Dann geht er weiter. Geht aus dem Bild.

Die Regentonne! Ich weiß, sie ist mit schwarzem Wasser gefüllt. Da treibt ein Stück Holz. Ich habe es selber gesehen. Ein kleines Stück Holz auf dem schattigen Wasser. Manchmal bewegt es sich. Unmerklich fast.

Ich werfe also noch einen letzten Blick auf die Straßenecke der Stadt.

Sie ist menschenleer. Ich seufze…

Dann sage ich leise zu mir selbst: „Lebewohl!“

UND FROHE WEIHNACHTEN

PHILOSOPHISCHE PINAKOTHEK Saal 19

Wohl jeder Mensch fragt sich irgendwann in seinem Leben (die Weihnachtszeit eignet sich besonders gut dafür), was oder wer er eigentlich ist. Ein Wesen mit unsterblicher Seele? Nur eine Ansammlung von leuchtenden Molekülen (an einem Christbaum)? Oder sogar bloß eine reine Künstler-Einbildung? Viele meinen, es gebe darauf keine allgemein verbindlichen Antworten: Wie man darüber denke, sei eine Sache der Weltanschauung, die sich weder beweisen noch widerlegen lasse. Doch das ist ein absoluter Irrtum! Denn systematische philosophische Überlegungen und neuere psychologische Forschungen bringen uns einer allgemein gültigen Antwort sehr wohl näher. Der Philosoph René Descartes vertrat z.B. die These, dass wir im Kern rein geistige Wesen seien, die nur zufällig während unseres irdischen Daseins in irgendeinem Körper stecken. Dazu formulierte er sein berühmt–berüchtigtes „Cogito“-Argument: 1. Ich denke (lateinisch: cogito). 2. Wenn ich denke, dann existiert der Träger dieses Gedankens. 3. Ich bin der Träger dieses Gedankens. Also existiere ich (ergo sum). Oder einfach einmal anders ausgedrückt: Sage mir, wie Du aussiehst und ich sage Dir, wer Du bist.

Na? Geboren am 24. November 1864 in Albi, gestorben am 9. September 1901 auf Schloss Malromé (Gironde)? Nun, dann wirst Du Toulouse-Lautrec sein. Erst eine Ausbildung bei Léon Bonnat und Fernand Cormon in Paris, dann eine tiefe Freundschaft mit Vincent van Gogh begonnen?

Auch das spricht dafür, dass Du (tief in Deiner Seele) Toulouse-Lautrec sein musst. Du arbeitest in zahllosen Vergnügungslokalen und Hochschulen? Du notierst Dein Leben mit sicherem Strich und oft beißender Satire, schreibst einen BLOG? Was soll ich also noch sagen: Du bist ein Lautrec!

Du heißt Lautrec, finde Dich einfach damit ab! Dein Vater hieß auch Lautrec; Du kannst Dich ja später Bach nennen. Du siehst also: Das größte Geheimnis ist der Mensch sich selbst. Aber einem Lautrec ähnlich zu sein, ist nicht so schlimm. Es hätte Dich auch schlimmer treffen können…

 

Die Frau des Federmachers (Dein ist der Traum…)

„Es sieht nicht aus wie die anderen!“ schrie eine Stimme. Sie war schrill. Eine Stimme, so flirrend wie glühendheiße Luft. „Nein!“ brüllte eine andere Stimme. Diese ähnelte der Frau des Federmachers. Aber auch sie war nun viel lauter als ich es gewohnt war, als ich es ertragen konnte und wollte.

„Es ist mein eigenes Kind. Im Grunde ist es doch ganz hübsch, wenn man es richtig betrachtet,“ hörte ich die Frau des Federmachers mit weinerlicher Stimme sagen.

„Ich wünschte, sie könnten es noch einmal machen,“ kreischte die  erste Stimme in meinem Kopf. „Und ich wünschte ich könnte noch ein wenig länger darauf sitzen bleiben…“

(…)

Sie war dann einfach gegangen. Es war ein trüber Tag gewesen. Es nieselte. „Keine Innovationen mehr.“ Dies soll sie noch Tage vor ihrem Verschwinden zu ihrem Mann, dem Federmacher, gesagt haben…

Und sie soll angeblich sehr geweint haben, als sie diese Worte zu ihrem Mann sprach.

Bedeutete diese Botschaft jetzt, dass sie eigentlich und endlich einmal innehalten wolle, ausatmen und nachdenken? Wer weiß das schon? Diese ganze Geschichte ist unglaublich eigentümlich…

Die Flucht vor der Welt, gleichzeitig aber ihre sehr stürmischen Liebschaften mit beiderlei Geschlecht. Ihre Lieder, die Angst machten und gleichzeitig zum Lachen provozierten.

Die Frau des Federmachers schritt durch Räume von Gegenwelten. Sie sammelte Dämonen, wie andere Leute Schmetterlinge. „Nur noch flüchtig alles,“ heißt es bei Gottfried Benn. „Kein Orplid, keine Bleibe, Gestalten, Ungestalten, abrupte, mit Verkürzung.“ Sie und der Federmacher liebten dieses Gedicht. Sie liebten fast alles von Benn. Und doch ich sie fort gegangen.

„Dein ist der Traum, das Täuschen, und wenn es dich zerbricht am Boden, in den Räuschen, ein gläsern Angesicht.“

(Ich muss schon sagen, die Frau des Federmachers ist ein überaus spannendes Wesen!)

Woman…

Woman is the nigger of the world …

Yes she is…think about it , Woman is the nigger of the world , Think about it…do something about it.

We make her paint her face and dance , If she won’t be a slave, we say that she don’t love us ,

 If she’s real, we say she’s trying to be a man , While putting her down, we pretend that she’s above us… (John Lennon)

Am Abend…

Ich lag einfach nur da und verleugnete trunken den Wahrheitsgehalt der eigenen Existenz.

… Und meine Bilder? Was sollte ich mich denn eigentlich beschweren? Meine (Bild-) Geschwüre waren längst mit Gold überzogen. Geschmückt und überschminkt. Niemand möge sich meine Arbeiten mit reinem Gewissen anschauen!

Denn sie waren allesamt Wunden, die mich aus schlimmste entstellten; es waren Narben, die ich stolz-traurig zur Schau trug. Es waren Fleischstücke, die ich mir aus dem Körper gerissen hatte, um mich dann selber damit zu füttern. Sollte jemand daran jemals Gefallen finden können?

Der offenherzige Betrachter meiner Werke, überlegte ich, wäre sicherlich beschämt, wenn er sich meine Bilder mit großem Vergnügen anschaue… Wie ein Schwarm tiefschwarzer, aufgescheuchter Vögel schossen solche Gedanken durch meinen Kopf…

Dieses Schauspiel ließ mich nach weiteren eigenen Bildern suchen… Keine vordergründig richtigen sollten es sein, sondern wahre Bilder. Keine kopierten Bilder, sondern sich selbst befriedigende Bilder…

Ich sehnte mich nach Bildern, die wie eine beredte Stille waren. Das hieß, in ihnen zwitscherten die Vögel und zerbarsten die Wolken auf dem Boden der Poesie, um aus ihren Splittern sofort neue Gebilde zu formen. Kritzeleien wurden Symbole für ein Alphabet der Möglichkeiten. In solch abgründigen Gründen wollte ich nach meinen Bilder suchen… Es war wie das Aufrichten einer Zirkuskuppel im eigenen Herz.

Einem Diktat von unverständlicher Ungegenständlichkeit wollte ich mich niemals ergeben. Eher wollte ich höchst erleichtert und amüsiert einem Publikum ausrufen können:  “Aber ihr habt ja gar nichts an!“