Märchentiere erzählen mir Geschichten

Mit der Zeit wachsen Zeichnungen aus der Erde / Leinwände drängen ans Licht / Dias werden von mir ausgegraben / Sie tragen Blessuren im winzigen Gesicht / Der Frost hat ihnen zugesetzt / Einstmals rosige Lippen sind nun bläulich verfärbt / Ich küsse alle wach / Die Märchentiere erzählen mir Geschichten / Von Abenteuern die sie bestritten haben / Und alle versichern mir ich wäre dabei gewesen / Ungläubig schüttel ich den Kopf / Mein Mund steht mir offen / Doch sie legen mir Beweise vor / Bilder Zeichnungen die mich darstellen sollen / Fotos auf denen ich zu sehen wäre / Mit den Fingerkuppen fahre ich vorsichtig über die Vorlagen / Eine Auslage der Zeit / Wie von Kinder feilgeboten / Von Kindern die für kleines Geld ihr Spielzeug an einer Straßenecke verkaufen…

Nothing Is Written

Alle meine Träume sind Multi-Grössen-Schnitte / Ihre Konturen sind Nahtlinien / Sie dienen als Schnittmuster für die Sterne / Die Nahtzugaben und Säume müssen beim Zuschneiden auf dem Stern noch zugegeben werden / Die Sternschnittteile sorgfältig vorbereiten / Vom Schnittbogen die jeweiligen Teile in ihrer Sternengröße ausschneiden / Ab und zu den Sternen bei ihrer Geburt Wasser reichen / Den eigentlichen Traum zuschneiden / Der Sternbruch bedeutet die Mitte des Schnittteils / Auf keinen Fall mit einer Naht oder einer Kante verwechseln …

Erneuerte Wiederholungen

Meine Schule des Sehens besagt: Wiederholungen geschehen aus dem Willen, nach Nietzsche. Und es sind die kleinen Differenzen, die sich im Tagebuch des Verführers bei Kierkegaard zeigen. Ich mal mir schlicht meinen dreiteiligen Reim daraus. So seh ich das.

Über-Legung & Über-Ich

Gott würfelt nicht. Er malt keine Bilder. Er macht kein Tanztheater.

Er sitzt in einem Kaffeehaus und wartet gerade auf seinen Cappuccino. Ab und an schaut er aus dem Fenster. Oder er läuft auf die Straße, um ein Pferd zu umarmen. Dann wird es wieder Nacht.

Vielleicht hinterlässt er eine kleine Zeichnung auf einer Serviette.

Beim Kaninchen auf der Couch

Schreibend und malend über mein Ich nachdenken. Nur so kann ich genesen. Nur so werde ich gesund. Im Spiel komme ich mir auf die Spur und spüre: ich bin mir schon einmal begegnet. Das ist schon eine ganze Weile her. Doch ich erinnere mich daran, indem ich mich im Kreis drehe. So viele meiner früheren Ichs sind vergessen. Ab und an findet mein Jetzt all ihre Zeilen wieder, ihre Texte und die Bilder dazu. Sortiert sie sich zurecht. Aber dann wird auch dieses Jetzt vergesslich, weiß nicht mehr, dass es sterblich, weil ausgedacht… von einem weiteren Ich… jetzt… hier…

Die prächtige Schande

Wie würde die Gruppe RAMMSTEIN „Yesterday Once More“ von THE CARPENTERS interpretieren? „Als ich jung war / Ich hörte Radio / Wartete auf meine Lieblingslieder / Wenn sie spielten sang ich mit / Es brachte mich zum Lächeln / Das waren so glückliche Zeiten / … / Ich wundere mich / Wohin sind sie gegangen…“ Wie würde der Leadsänger von RAMMSTEIN, Till Lindemann, das Stück auf unsere Pyrobühne der Kunst bringen? On The Top Of The World? Die prächtige Schande der Träume, sie will tagsüber keiner von uns mehr wahrhaben. Oder sie überhaupt wahrnehmen…

Wir sind so vorsichtig geworden. Wir misstrauen unserer Kultur. Sie macht uns Unbehagen. Wenn Herr Lindemann sagt, er sei Rentner, und mit seinem Lottogewinn von 500.000 Mark mache er nun erstmal eine Reise nach Island, fahre dann mit seiner Tochter nach Rom und besuche dort eine Papstaudienz, um im Herbst in Wuppertal eine Herrenboutique zu eröffnen… wir wollen dem Sänger einfach nicht mehr glauben. Wer auf die Bühne der Öffentlichkeit geht, der stirbt auch auf der Bühne, mitten im Rampenlicht, verstrickt in Widersprüche, verloren gegangen im Gestrüpp unterschiedlichster Erwartungen und Vor- bzw. Nachstellungen. Es ist zum Verzweifeln.