Zwei Adler in einer Nussschale

Halb zog es mich, halb sank ich hin. Und gebar ein Bild, was noch gar nicht sollte? Was noch gar nicht fällig war? O, doch… „Du musst dir selbst vertrauen und glauben, dass du auf dem rechten Weg bist, unbeirrt durch die Fußstapfen anderer, die da kreuz und quer laufen und die den rechten Weg gerade verfehlen. Was du aber erstrebst, ist etwas Großes, Erhabenes, Gottgleiches: nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen.“ Schreibt Seneca. Und mein Tageshoroskop ermutigt mich zu einem gesunden Egoismus, zu Symbolen des Machwillens und des Geistes. So soll es also sein: (M)eine euphorische Hochstimmung kämpft mit einem alten, ergrauten Mann, tief eingesponnen in (m)eine Melancholie. In einem kleinen, engen (Bild)Raum, der dennoch Schutz bietet und allen Witterungen standhält: Die Erfahrung einer Realität hinter der sichtbaren Wirklichkeit, in der alles ineinander zu fließen scheint und das Lehrbuch der Perspektive Lügen straft.

Schön ist das alles nicht

Eine schmutzige Welt. Überall Körper. Fetzen, pilzförmig oder mehrfingrig wie Farnkraut. Stamm neben Stamm; zitronenähnliche Früchte. Schön ist das alles nicht.

Beine. Brüste. Eine unbenennbare Stelle. Eine Furche. Ein Spalt. Die Sonne wird dort von einem Faustschlag niedergetreckt. Niemand hält diese Umgebung lange aus.

Und ein bestimmtes Bild wird man gleichzeitig nicht so schnell vergessen können: Eine Schwellung an der Wurzel. Ein Körper in einem Fellmantel. Eine Bühne. Eine Staffelei.

Ein Atelier. Ein Gedicht, wie eine Wunde. Nein, schön ist das alles wirklich nicht. Niemand weiß sich einen Reim auf das alles zu machen. Doch warum erschrecken wir?

Sensibilität ist doch ein ganz und gar entzückendes Wesen. Und außerdem: absolutes Wissen, dies wussten schon unsere Weisen, führt zum Pessimismus.

Die Kunst ist das Heilmittel dagegen. Sie lässt uns stumm weitersingen… bis man versteht. We are…

Adam & Eva (reloaded)

Blumen schmücken die Oberfläche der Welt und sind „der Lüsternheit der Insekten preisgegeben“ (…)

„Die Insekten, die Menschen und auch andere Tiere scheinen ein Ziel zu verfolgen, sie bewegen sich schnell und zielsicher voran, während die Blumen im Licht bleiben, strahlend schön und unverrückbar.“ (Michel Houellebecq)

Es ist für so vieles zu spät

Oja, ich beobachte sie. Beschützt von ihren Engeln, die alle mit N angehen, dem Engel der Nüchternheit, dem Engel der Naivität, dem Engel der Neugier, hält sie Hof (…) in ihrem kleinen Landhaus an der Seventh Avenue. Die Stelle des Chauffeurs und des Gärtners hat der alte Joe mit seiner verfallenen Tankstelle übernommen (…) die Jungs von der Christopher Street sind ihre Läufer und Leibjäger, die aus der Hofkonditorei Ecke Bleecker und Barrow frische Nusshörnchen holen (…) Sie lacht. Sie hat ein gutes Gedächtnis (…) Sie denkt sich ihren Teil: „Gegenüber dem Großen bin ich natürlich klein, gegenüber dem Mächtigen schwach, gegenüber dem Gewalttätigen feige, gegenüber dem Aufdringlichen ausweichend… Ich halte ihm auch nicht die andere Wange hin, ich schieße nicht mit der Steinschleuder auf ihn, ich beobachte und beschreibe ihn… Und dann liebe ich ihn. (…) Es ist leicht die anderen zu lieben, wenn sie durch mein Sehfeld gehen… Während sie vorübergehen, bin ich ihre Zuschauerin, wenn sie zurückblicken, ihre Schauspielerin; alle wissen etwas, das über mein Wissen hinausgeht und mir das Recht des Urteils entzieht; es gibt keinen Richter, der besser wäre als wir es sind (…) Und was da vorüber gegangen ist, das sind nicht Erinnerungen, das ist keine gelbe Taube, die im Vergessen schläft, sondern Gesichter voll Tränen sinds, Finger in einer Gurgel, und das, was aus den Blättern sickert: die Dunkelheit eines vorbeigerollten Tages, eines Tages, der satt ist von unserem traurigen Blut…“, so wispert die Frau des Federmachers leise.

Als unsere Blicke sich treffen, öffnet die Frau des Federmachers wie in Trance ihr Haar. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Es ist die letzte Gelegenheit, vermute ich.