Die Atempause geht so sanft wie möglich in den Zielmodus über, damit mein Kunst-Schuss nicht verrissen wird.

Kann denn die Künstler keiner lehren, wie man spricht? Die Sprache macht den Menschen, die Herkunft macht es nicht…. Wo bleibt die Sprache, die Kunst den Menschen näher bringt? Vor fünf Jahren schrieb ich, dass mein Reichtum in den Handtaschen meiner Mutter verborgen läge. Nun, einige Jahre später, schaue ich auf die zahlreichen Bilder, die ich auf dem Atelierboden ausgebreitet habe…

Mutters Handtaschen, ich habe sie allesamt ausgewaidet, habe sie zerrissen, zerschnitten (O, Psychologen aller Länder, vereinigt euch, um mir das zu erklären!). Wie erlegte Beute habe ich die Taschenüberbleibsel auf präparierten Pappen ausgelegt und dort arrangiert. Ist das getroffene Bild vor mir nur verwundet und ein Nachschuss nötig? Solch eine Situation im Atelier könnte schnell gefährlich werden. Meine Reaktionsschnelligkeit ist stets gefordert und der entscheidende Schuss sollte sitzen, insbesondere in einer Lage, in welcher ein Deutschuss (Schüsse ohne genaues Anvisieren des Ziels) erforderlich ist und meine Waffen, meine Farben und Lacke, aus kurzer Distanz abgefeuert werden.

Durch gezielt-erträumte Fangschüsse habe ich am Ende die Taschen zur Strecke gebracht…

Sollte ich ihnen nun noch Zweige ins „Reißverschluss-Maul“ stecken? Meine Kunst der Hirschjagd: Taschenkadaver warten bzw. erleben in meinem Atelier ihre Auferstehung. Ein einfaches „Erhebt euch,“ rufe ich ihnen zu. O, wer lehrt uns Künstlern das, was unästhetisch klingt, dazu noch phonetisch ein Schreck für jedes Ohr? Und da, plötzlich richten die Taschen zum wahren Leben ihren Flug / Und schwinden wie ein Leichenzug / In Lüften, die von Wollust zittern…

Überlegungen.Verstehen!

Mit Neugier schreite ich an den Bildern vorbei, lausche ihrer Sprache. Diese hinterlässt bizarre Spuren auf einem Imitat aus Krokodilleder. Oder sie funkelt wie Glühwürmchen, die ein unterirdisches Universum aufleuchten lassen, sie vermehrt ihre eigene Unendlichkeit. Ihre Worte gleichen Bernstein und Sonne. Sie sind Wellen, die an der Küste meiner Seele sich brechen. Sie übernachten in alten Handtaschen, sie umschwirren das Licht der Nacht, sie flüstern, seufzen und stöhnen. Die Sprache meiner Bilder ist eine ganz eigene, es ist ihre Sprache. Ihre Sprache kann glänzen. So wie sie auch verstören kann. Das alles inspiriert mich… wie wenn die Sonne ihre Lippen öffnet. Ich hab mir im Bereich des Unsichtbaren ein Nest gebaut; Sterne klopfen an meine Tür, die Sonne kommt zum Tee vorbei, der Mond bleibt über Nacht, ich werde Taufpate von Regentropfen…

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Die Oper des kleinen Mannes

In einem Märchen fühlt eine Prinzessin eine einzelne Erbse unter einem Berg von Matratzen. Dies macht sie für den Prinzen attraktiv und er nimmt sie zur Frau.

Im „wahren“ Leben deuten Psychologen solche Feinfühligkeit als Hochsensibilität. Die Erbse steht dabei für Klänge, Geräusche, Farben, Gerüche oder Stimmungen, für die ein hochsensibler Mensch empfänglich ist. Je nach Charakter kann diese Feinfühligkeit, das Talent, für ihn als Last oder als eine kreative Gabe empfunden werden. Belastet hat mich diese Art von Erbse eigentlich nie. Bin ich jetzt also auch eine Prinzessin? Oder ein Erbsenzähler. Ein Erbsen-Erzähler? Im Traum stehen Erbsen gerne als ein Symbol für einen Gewinn durch Redlichkeit. Sie deuten auf gedeihliche Geschäfte hin, die viel Geld einbringen. Na, das finde ich doch spitze! Gekocht bringen Erbsen allerdings Ärger. Sagt der Traum. Gut, dann lass ich die Finger davon. Und leg sie mir weiterhin roh unter meine Matratze. So liege ich dann da, auf einem Berg aus Naturlatex und mache mir ein Bild dazu… meine Oper trägt den Titel: „Die Prinzessin auf der Erbse“.

Warum ich so schmutzig bin

Bei Hegel steht die Kunst… eindeutig über der Natur: nicht, weil sie schön ist, sondern weil sie etwas zu sagen hat… Der Teilhabe am liturgischen Ritual entzogen, ist das Bild entmachtet. Es dient nur noch der kontemplativen Betrachtung. So wird es zu einem Kunstwerk im modernen Sinne. (Zitat: Karlheinz Lüdeking aus: „Nach dem Ende der Kunst“, Frankfurter Allgemeine online, 27.8.2020)

Ich könnte es aber auch so formulieren: „I bang my own drum / Some think it’s noise / I think it’s pretty /… I am what I am“.

Der Atem der Eltern / Mein Handtaschen-Requiem

Der Geist von Mutter, der Atem von Vater, alltäglich zu spüren in den zurückgelassenen Taschen…

Vater, dir drohet nichts, / Siehe, es schwindet schon, / Mutter, das Ängstliche, / Das dich beirrte! / Wäre denn je ein Fest, / Wären nicht insgeheim / Wir die Geladenen, / Wir auch die Wirte? („Gesang der Ungeborenen“ von Hugo von Hofmannsthal.)

Othello to go

Das grünäugige Ungeheuer: So wird die Eifersucht in Shakespeares Othello bezeichnet. Und zwar von Jago, dem Fähnrich des schwarzen Generals Othello. Er will seinen Herrn in das klebrige Netz jenes grünäugigen Monsters locken…

Und was sagt Othello? Er sagt: Unser Körper ist ein Garten, und unser Wille der Gärtner, so dass, ob wir Nesseln drin pflanzen wollen oder Salat bauen, Ysop (ein Halbstrauch aus der Familie der Lippenblütler) aufziehen oder Thymian ausjäten; (…), ihn müßig verwildern lassen oder fleißig in Zucht halten – das Vermögen dazu und die bessernde Macht liegt durchaus in unserem freien Willen.

Mich erinnert dieses Gartenbild natürlich sofort wieder an meine Kunst. Ich kann nicht anders…

… meine Kunst, ein einziger Nutz- und Ziergarten.

Großartiges Theater mit König*innen, Worten und Bildern.

Wenn alle Könige ihre Königinnen auf dem Thron hätten / Wir würden Champagner knallen lassen und einen Toast trinken / An alle Königinnen, die alleine kämpfen / Baby, du tanzt nicht alleine…

Jegliche Art von Kultur ist Spiel. Nur im Spielen kann der Mensch kreativ sein und als Individuum sein eigenes Selbst entdecken, im unzusammenhängenden, strukturlosen Funktionieren. Ein Spiel, direkt ins Herz der Kunst. Und der Erkenntnis: Ich bin König*in.