Alles eine Frage der Kameraeinstellung

Fotografien gelten seit langem als Wegweiser der Vergangenheit, als Möglichkeit, das, was war, in dem, was ist, zu bewahren. Anders als Gemälde, die einen Gegenstand erfinden können, bewahren Fotografien in einem realen Zeitmoment. Schreibt Siri Hustvedt in „Alte Bilder“. Das mag ich so nicht unbedingt sehen. Meine Kamera hat nämlich folgende Einstellung zu den Bildern meines Lebens: Halluzinationen und wahr.

Rendezvous mit einem Vampir

Folgende Szene spielt in Bayreuth. Ich stehe am Grab von Richard Wagner und lausche.

Aus der Tiefe des Grabes ruft Wagner zu mir empor: „Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha!…Waltraute, Grimgerd‘ und Rossweisse! Heiaha!“

Es ist also wie immer, ich habe Wagner nie so recht verstanden.

Erinnerungen einer in Fetzen gegangenen Wirklichkeit

Wir sind also verschiedene Farben und wir sind verschiedene Glaubensbekenntnisse / So we’re different colours and we’re different creeds / Und verschiedene Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse / And different people have different needs / Es ist offensichtlich, dass du mich hasst, obwohl ich nichts falsch gemacht habe / It’s obvious you hate me though I’ve done nothing wrong / Ich habe dich noch nie getroffen, also was hätte ich tun können? / I’ve never even met you, so what could I have done? / Ich kann es nicht verstehen / I can’t understand  / Was einen Mann ausmacht / What makes a man / Hasse einen anderen Mann / Hate another manSie lachte: „Du, um keinen Preis.“Es ist falsch, zu sagen, Ich denke. Es müßte heißen: Man denkt mich. (Lyrics: Depeche Mode; Gedichtzeilen: Arthur Rimbaud.) 

Ausweglose Liebe

Der Mythos erzählt uns von der Nymphe Liriope, die Narziss gebiert, nachdem sie in einem Bach vergewaltigt worden ist. Narziss wird ein langes Leben prophezeit, aber nur, wenn er sich zeitlebens selber fremd bleibt.

Auf dem Bild „Ausweglose Liebe“ ist ein älterer Mann um die 58 Jahre dargestellt, der vornübergebeugt auf einem Atelierboden kniet und selbstvergessen eine Zeichnung betrachtet, das im unteren Bildteil sichtbar wird. Es handelt sich um den Künstler, der sich, so könnten wir es deuten – vergleichbar dem antikem Mythos – in sein Selbstbildnis verliebt. Aber ist der Künstler tatsächlich der Liebende oder ist er nicht wohlmöglich auch der Geliebte? Noch scheint er das Wesen auf der Zeichnung nicht erkannt zu haben. Er ist, wie wir alle, an einem Ort gefangen, unfähig zu erkennen, in welcher Zeit er sich bewegt und darüber hinaus blicken zu können…

„Mein Bild ist mir deutlich“, sagt er zu sich selbst und zerrinnt scheinbar vor lauter Sehnsucht… Nur so könnte sich jeder von uns selber erkennen.

„Hier“ wie „gestern“

To lead a better life, I need my love to be here…

Here, making each day of the year…

Changing my life with a wave of her hand…

Nobody can deny that there’s something there…

„Here, There and Everywhere“; The Beatles. Ich weiß nur zu gut: Bei all meinen Identifikationen bedeutet das „hier“ auch „gestern“… als auch „zukünftig“.

Schönheit Liebe Lernen

Alle Dinge, die wir jetzt lieben, haben wir lieben gelernt. Wir werden schließlich immer für unseren guten Willen, unsere Geduld, Billigkeit, Sanftmütigkeit gegen das Fremde belohnt, indem das Fremde langsam seinen Schleier abwirft und sich als unsägliche Schönheit darstellt. Es ist sein Dank für unsere Gastfreundschaft…

Auch die Liebe muß man lernen. Nicht nur für solche Feinheiten, solche Beobachtungen, liebe ich meinen Freund Nietzsche. Er heißt mich wonniglich einen stillen Saal der Phantasie durchstreifen.

Ich habe sie alle gehabt

Man fragte mich: „Sind Sie Peter Anton von Verschaffelt?“

Und ich antwortete wahrheitsgemäß: „Ja, einer von uns muss es in der heutigen Zeit einfach sein. Ganz ohne ihn wäre es nicht annähernd so schön. Aber sie können mich auch Hans Burgkmair nennen…

Oder Johann Heinrich Dannecker, das wäre mir alles recht.

Denn ich habe sie alle gehabt. Die Männer gingen, die Kunst blieb…

Namen verwehten in der Zeit. Ach, wissen sie was, nennen sie mich doch schlicht und einfach Brecht, Bertolt Brecht. Denn ich will mit dem gehen, den ich liebe.“