(fast) am Ende

Sehr zufrieden lege ich meinen Zeichenstift zur Seite. Denn wieder geht ein schönes Jahr zu Ende. Wieder geht die Welt zur Ruh’… und ich wünsch‘ ihr von Herzen „Gute Nacht!“. Ich träume süß von uns’rem Glück… Jahr, du hast mich so reich gemacht! Immer, wenn ich bei dir bin, geht die Zeit so schnell dahin…

This is the end, beautiful friend. This is the end, my only friend, the end. Obwohl? The End? Nothing ends, nothing ever ends. Stimmt. Was soll ich sagen? Alle waren sie wieder da. In meinem Atelier. Und versprachen mir unisono: „Ich war es und ich werde es immer sein, Ihr Freund.“ Rudi Schuricke, Jim Morrison, Dr. Manhattan, Mr. Spock „und die Schullehrerin, die vorbeiging auf ihrem Weg zur Schule“…und „habt ihr den Narren gesehen, der seinen eigenen lebendigen Leib verdarb? oder die Närrin…“ (Walt Whitman)…O ja, wenn ich bei euch bin, geht die Zeit so schnell dahin… es ist wie beim Malen.

Die Kunst zielt am Ende auf Dinge, denen man nicht mehr ansieht, welchen Prozessen sie sich verdanken.

O du fröhliche

Nur in einer fast unwirklichen Wirklichkeit, so steht es geschrieben, sind wir imstande, die Worte eines Engels zu vernehmen und einem Stern im Dunkeln nachzugehen. Alles spielt sich traumhaft ab; denn wirklich ist der Traum der Ort einer inneren Befreiung… Das Symbol des Kindes ist als Bild des Lebens innerlich dann notwendig, wenn das, wovon man erlöst werden muss, gerade in einem zwanghaften Großseinwollen besteht; wenn man mit der ständigen Forderung, nur ganz erwachsen, ganz fertig, ganz ausgereift, ganz vollkommen sein zu dürfen, schlechthin nicht mehr leben kann, dann verdichtet sich der Wunsch, es möchte alles noch einmal beginnen dürfen, und zwar dann wahrer, unfertiger, gnädiger, im Grunde gütiger… so steht es geschrieben in „Tiefenpsychologie und Exegese“ von Eugen Drewermann. O, du fröhliche, O du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ward geboren: Freue, freue dich, O Christenheit!

Alltagsheilige

Wenn ich dich küsse, endet das Märchen gut. Und ich bin wie immer dein. Wir beten an. Wir beten ab. Wir beten zu. Wir beten fort. Wir sind wie Ebbe und Flut. Von einem Fieber krank, verehren und verdammen wir im gleichen Augenblick. Nur ein Wimpernschlag liegt zwischen Zustimmung und Ablehnung. Mehr ist da nicht. Dabei sollten wir alle umarmen.

Unsere Alltagsheiligen, wir sollten sie lieben. Unsere morbide Herzkammer aber, sie verleugnet zu oft ihr Mobiliar. Dabei sollte sie stolz auf die vielen unterschiedlichen Namen hören. Sie hat schließlich Gesichter in sich, beherbergt auf selbst gemachten Leinwänden und Papieren, die sichtbar Zeugnis von (m)einer Vergangenheit geben. Ich ist nicht nur ein anderer. Mein Ich ist gleichzeitig auch so viele andere. Das Märchen endet gut „… und sie lebten lange vergnügt zusammen.“

(M)eine kleine Kunst-Geschichte

Ist diese Geschichte eigentlich bekannt? Mosby Harvey Junior (seinerzeit Vize Präsident von der Firma Firestone) war Gast auf einer Kunstparty und fand dort Gefallen an einem „echten Bach“. Er fragte andere Besucher, wer denn der Erschaffer eines bestimmten Bildes sei. Niemand konnte ihm weiterhelfen und fast hatte er schon aufgegeben, als ihm der Wohnungsinhaber sagte: „Ach, das ist der Bach. Der versteckt sich da drüben hinter der Chaiselongue.“ Detlef Bach war damals nicht gerne unter fremden Menschen und außerdem hatte er Angst, dass ihm jemand ein Bild weg kaufen wollte. Das war ihm nämlich schon einige Male passiert. Mosby Harvey Junior jedoch kroch zu Detlef Bach hinter die Chaiselongue und da lagen die beiden nun eine geraume Zeit stumm nebeneinander. Irgendwann fasste der Amerikaner sich ein Herz und sprach Detlef, der bis dato mit dem Gesicht zur Wand gelegen hatte, an. Erstaunlicherweise entwickelte sich recht schnell ein angeregtes Gespräch zwischen den beiden liegenden Männern; sie unterhielten sich über den Härtegrad diverser Bodenbeläge, über merkwürdige andere Besucher, und über die Bilder dieser eigenartigen Ausstellung. Dabei lenkte Mosby das Gespräch immer wieder auf dieses eine bestimmte Bild von Bach.

Ganz nebenbei versprach Mosby Bach einen Satz nagelneuer Reifen und obwohl Bach gar keinen Führerschein, geschweige denn ein Auto besaß, verkaufte er im Gegenzug sein Bild. Mosby wollte das Kunstwerk nun so schnell wie möglich nach Amerika transportieren, weil er fürchtete, dass es in dieser Wohnung über kurz oder lang Schaden nehmen würde. Nun war dies aber kein Bild, das man mal eben unter den Arm klemmt und mit in den Flieger Richtung Ohio nimmt. Das Ding war verdammt groß und man fragte sich, wie es überhaupt an der Wohnzimmerwand befestigt werden konnte. Jemand, der sich um den Transport des Bildes nach Amerika kümmerte, musste her. Da traf es sich gut, dass im Nachbarhaus eine Spedition residierte, deren Chef sich des sensiblen Falles auch gerne annahm. Mosby Harvey Junior und Detlef Bach trafen sich also noch einige Male, um mit Lukas, dem Speditionsführer, Details zu planen.  Alles ging gut, das große Bild kam wohlbehalten in Ohio an und hängt heute im Akron Art Museum. Mosby Harvey Junior ist mittlerweile verstorben. Ob Lukas auch heute noch Bilder durch die Welt transportiert, wissen wir nicht. Sie können ja mal im Branchenbuch nachschauen: Die Spedition hieß Lukas Cranach. Zufall?

(Ach, diese Geschichte erzählt mein Freund Andy Dino Iussa doch immer wieder gerne. Und er darf das. Denn er hat sie aufgeschrieben.)

Verdichtete Erinnerungen

Bilder können mir von jeher große Freude bereiten. Spass. Glück. Zuversicht. Einfach so. Weil sie da sind. Manchmal verwundern sie mich auch, machen mich hin und wieder etwas nachdenklich. Es kommt stets darauf an, ob ich mit ihnen…

„Ach, du weißt einfach zu viel“, hatte mein Bruder mir einmal sehr liebevoll vorgeworfen, nachdem er auf meinen BLOG geschaut hatte. „Hast du wirklich alles gelesen, was du zitierst?“ So hatte er mich bei einem gemeinsamen Frühstück gefragt. Was hätte ich meinem Bruder antworten sollen? Ich weiß doch gar nichts. Nichts mit Sicherheit. Es ist bei mir vielmehr so: je mehr ich weiß, umso dümmer werde ich. „Die Schlauen, die mit Verstand, verstehen nichts.“ So steht es schon beim großen Philosophen Winnie Pooh geschrieben. Und ein Bär, der zu uns spricht, der hat wohl recht. Ebenso die Bilder. Verdichtete  Erinnerungen an bestimmte Szenen der Vergangenheit, Traumgedanken vor dem Spracherwerb. Bilder… alles Ahnungen, im Dämmergrau, an die Ewigkeit, Eintritte in das Große Geheimnis…einfach schön.

Ein jeder, der rätselt, ist willkommen.

„Eines Tages werde ich arbeiten wie jeder andere“ schreibt Peter Handke. Aber bis dahin werde ich von einer anderen Wirklichkeit träumen. „Als ich vierzehn war, fühlte ich mich wie ein Knutschfleck eines Philosophen. Das ist lange her…“ Wie auch dieses Projekt von Bach-Nienhaus. „Ich vergaß die Ewigkeit meiner Schwüre. Ich wollte mein Herz ausscheißen im Zentralmassiv meiner Träume. Da lag ich, von Kopf bis zum kleinen Zeh, eine lange Strecke, und hörte das Flüstern der Irrenärzte und das Atmen der Propheten und das Nahen der Nacht… Immer ist etwas tot von dem, was wir lieben.“ O, Wolf Wondratschek, wie recht du hast.

Mythen und Kino

Seit meiner Jugend liebe ich das Kino, „weil das Kino vor allem von Gesichtern, Körpern, Ideen und Gesten handelt und diese nur im Verfall selber wahrzunehmen sind, ist es zugleich eine Kunst der Trauer und eine der Hoffnung…“

Es sind u.a. die Filme von Ridley Scott, Sofia Coppola, den Coen Brüdern oder Martin Scorsese, die mich begeistern. Der Filmemacher Scorsese will nicht „im Strom der Bilder… unterzugehen. Die Trennung zwischen dem Künstlerischen und dem TRIVIALEN… (hat bei ihm) nicht die geringste Chance…“

„Die Mythen… begannen nur, sich aus der verpflichtenden Mitte zum peripheren Spielmaterial zu entwickeln.“ Solche Feststellungen gefallen mir außerordentlich. „Scorseses Helden sind am Ende immer KÜNSTLER; sie leben in einem Medium… und sind ein wenig auch darin begraben.“

Das sie nichts anderes sein können, das würden die Scorsese-Helden möglicherweise zu negieren versuchen, gelingen kann es ihnen indes nicht. // „Ich erröte, lasse ich mich malen, wie ich bin“, hat Paulinus von Nola im 5. Jahrhundert einen Porträtkünstler abgewehrt, „mich malen lassen, wie ich nicht bin, wage ich nicht.“

„Dieses Dilemma ist dem sehr ähnlich, in dem sich die Menschen in Martin Scorsese Filmen befinden… Fragen wir ihn nach seiner Einsamkeit, so antwortet der Mensch mit Gewalt, fragen wir ihn nach seinem Sehen, so antwortet er mit einem Bild. // Sie selbst erwarten etwas von der Welt, was sie nicht geben kann. Und sie erwarten etwas von sich, was ihnen genommen wird. Das Vulgäre an ihnen ist, dass sie zwischen Begierde und Schuld stehen. Das Heilige ist, das sie zwischen Schuld und Begierde stehen. Es ist nicht, was sie von sich zeigen…, sondern was sie mit ihren Bildern und was ihre Bilder mit ihnen machen…“

„(Scorsese) fragt (statt nach Bildern der Einsamkeit) nach der Einsamkeit des Menschen in seinen Bildern.“

(Alle Zitate sind dem großartigen Buch „Martin Scorsese“ von Georg Seeßlen entnommen. Erschienen im Bertz-Verlag.)

Ich habe alles das erlebt…

(Das Magazin „Die Stellvertreterin“ ist im Partisan-Kunstverlag, Wuppertal, erschienen. Das Bild 2 ist dem Magazin entnommen. Die drei anderen Bilder gehören zu meinem restlichen, sehr umfangreichen Werk zum Überthema „Anima“, das in „Die Stellvertreterin“ nun zum ersten Mal gebündelt wurde. Diese spezielle Geschichte geht weiter, immer weiter, meinem Glück hinterher… Den Brief, mit seiner liebevollen Kritik, schrieb mir mein ehemaliger Lehrer und Wegbegleiter Viktor Brings, dem ich nicht nur dafür sehr zum Dank verpflichtet bin.)