Stille Blitze

Mein Leib kämpft mit seinem Dämon / Ich seh es genau vor mir / Als Mensch bin ich eine Summe sehr unterschiedlicher Dinge / Milz / Leber / Dickdarm / Nagelbett / Hornhaut / After / Venen Arterien Zungenlappen / Knorpel Knochen / Mein ganzes Leben / Eine Aneinanderreihung unzähliger Gefäße / Dargeboten / Ausgestellt / Feilgeboten / Selbst meine Seele fehlt nicht / Denn meine Seele ist echt geil…

Geil / Stöhne ich auf / Besucher meiner Ausstellung / Beten vor schreckt ihren Rosenkranz rauf und runter / Angesicht meiner Ästhetik des Häßlichen / Stockt ihnen der Atem / Meine Zeit läuft indes munter weiter / Ich ticke ja wohl nicht richtig / So urteilen die Betrachter meiner Werke / Doch ich bewege mich relativ zu ihnen / Will sagen / Jeder sieht seine Zeit anders ablaufen / Und wahrlich Untergehende sind für mich Hinübergehende / Meine Unruhe stets ein Wetterleuchten auf einem Stück Papier

„Fort Next“

Naked a sin / An army towel, covering my belly / Some of us weep, some of us howl / Knees turn to jelly, but Next! Next! / I was just a child / A hundred like me / I followed a naked body / A naked body followed me, Next! … Oh, the naked and the dead / Could hold each others hands / As they watch me dream at night /  In a dream that nobody understands *… 

„FORT NEXT“

(*Liedzeilen von The Sensational Alex Harvey Band)

Mein spiegelsynchrones Lächeln der Kunst

Einfallendes Licht gleicht einfallenden Ideen… wie eine sogenannte Raumspiegelung. Dies ist ein Begriff aus der Physik, der davon ausgeht, dass all unsere Naturgesetze als spiegelsymmetrisch zu verstehen sind. Das bedeutet alle Punkte einer Spiegelung werden an ihrem Ursprung gespiegelt. Einfacher formuliert: mein freudiges Lächeln bleibt stets ein freudiges Lächeln, wenn ich mich – erfreut – im Spiegel betrachte. Doch gibt es auch Augenblicke, indem mein Spiegelbild asymmetrisch wird. Mein freudiges Lächeln ist dann zugleich ein ängstliches Lächeln in den Spiegel vor mir…

Ob Mystik oder ausgefeilte Mathematik der Grund für solche sonderlichen Momente (wie  z.B. die Kunst) sind, kann ich nicht wirklich beurteilen. Doch deutlich ist: ich blicke erfreut auf mein Bild und erkenne zugleich meine Furcht; also die Synchronizität meiner Kunst.

Ein tröstlicher Gedanke, weil er auch Tabus und deren gesellschaftliche Relevanz verbindet. Ich will es so betrachten: Lust, Perversion, Umstrittenes, Hässliches, Schändliches wird im Spiegel meiner Kunst poetisch gespiegelt. O, ich merke, ich schweife von der eigentlichen Spiegeloberfläche ab, gleite tiefer… und nenne meine Kunst dieses ominöse Tier mit den zwei Rücken, von dem Roger Willemsen einst sprach, als er das menschliche Begehren, die Erotik zu Wort kommen lassen wollte, um Bilder für das Unsagbare zu finden.

Mein Bild hat viele Saiten

Wenn ich mich hier ausstelle / Wenn ich mich präsentiere / In meinem Buch wie in einer Show / Wenn ich mich in meinem Ausstellungsraum ausziehe / Dann zeige ich mich völlig anders / Als es Reklamedisplays es für gewöhnlich tun / Ich zeige mich nämlich nicht nackt / Ich stelle mich vielmehr aus / Dabei lasse ich keine Spuren zurück / Noch stelle ich Wegweiser auf / Ich bin einzig und allein / Bin ein So-Sein / Eine Utopie / Weil ich mich zeige ohne zu zeigen / Ich zelebriere die Zwecklosigkeit meiner Kunst / Losgelöst von Kontexten und Erklärungsbemühungen / Meine Kunst ist kein kommunikativer Akt / Sie spricht / Wenn sie denn spricht / Mit der Stimme Scardanellis / Oder tschecho-slowakischer Surrealisten / Wie Konstantin Biebl, Vratislav Effenberger, Zedena Holubová und anderen / ihre teuren Scherben / zerfielen in mir / wie ein Soldat der über einen Friedhof pirscht / und in den Blumen Spuren hinterläßt (Rudolf Fabry)

 

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Wundersame Knospung

Seit geraumer Zeit ergänze ich ältere Werke von mir. Nicht, weil sie mir in irgendeiner Form unperfekt erscheinen, eher weil sie darauf gewartet haben, dass ich den Dialog mit ihnen jetzt weiterführe… Eine Mappe beschrifte ich mit meinem Credo:

So betrachtet begegne ich mir selber auf zahlreichen Feldern aus Papier. Dabei komme ich aus einer neuen Richtung, aus einer anderen Zeit, bringe Dinge mit, von denen ich früher nichts ahnen konnte. Die beiden Ichs spielen ein Spiel vor mir…

… als mein zukünftiges Ich betrachte ich dieses bedingungslose Tun mit Freude.