6 Fälle von Entblößungssucht

1. Fall: Solcher Herr, solcher Knecht. (Tel maitre tel valet)

2. Fall: Jeder Mensch kann fehlen. Irren ist menschlich. (Tout homme peut faillir)

3. Fall: Seine Frau trägt die Hosen. (Sa femme porte culotte)

4. Fall: Einmal ist nicht Gewohnheit. (Une fois n ´est pas coutume)

5. Fall: Aufwecken der Katze, welche schläft. (Réveiller le chat, qui dort)

(Jedes Lebensalter hat sein eigenes Benehmen. Das ist biologisch begründet, indem der Anstoß von der körperlichen und geistigen Entwicklung bzw. Rückbildung herkommt. Man muss sich daher in jedem Lebensalter bemühen, sein Benehmen in der Richtung zu überprüfen, ob es auch allen Anforderungen edler Empfindung und vernünftigen Denken entspricht.)

 6. Fall: Arbeiten für den König von Preußen. (Traivailler pur le roi de Prusse)

(Man sage in einer Ausstellung nicht lauter als nötig, dass man anderswo besseres Material gesehen habe. Das könnte ja stimmen, aber es ohne Not einem Publikum, das auf die Sachen vielleicht sehr stolz ist, zuzuschleudern, ist trotzdem unfein. Was würden Sie sagen, wenn ich, nachdem man mich mit Ihnen bekannt gemacht hat, erklären würde, es sei mir angenehm, Sie kennen zu lernen, aber ich hätte noch nettere andere Bekannte?)

Vom Tagebuchschreiben

Wer sich anschickt, ein Tagebuch zu schreiben, der schreibt sozusagen einen Brief an sich selber. Und es gilt zu bedenken, dass das geschriebene Wort sich vom gesprochenen Wort in manch wichtiger Hinsicht unterscheidet. Ein Schriftstück ist in der Regel ein Spiegelbild persönlicher Eigenschaften des Schreibers, und wenn der Schreiber ein anderer als der Verfasser oder Urheber des Schriftstückes ist, ein Spiegelbild der Eigenschaften beider.

Der Inhalt des Tagebuches, wie des Briefes, offenbart die Denkweise des Verfassers oder Urhebers, die Form gewährt Einblick in Charakterzüge des Schreibers wie auch des die Verantwortung tragenden Verfassers bzw. Unterfertigers, die Schriftzüge verraten charakterliche Eigenschaften des Schreibers…

Man soll den Menschen an seinen Früchten erkennen, sagt ein Bibelwort. Es meint damit die als Ergebnis der menschlichen Handlungen abreifenden Früchte bzw. Werke.

Wer will leugnen, dass auch ein Brief (an sich selbst = Tagebuch) ein Zeugnis in sich schließt, das über die Persönlichkeit des Menschen vielseitigeren Aufschluss gibt als andere Früchte, vielleicht von einem Buche, einer musikalischen Komposition oder einem Werke der darstellenden Kunst abgesehen.

Denn die andern Werke bekunden mehr oder weniger nur einzelne menschliche Eigenschaften, zum Beispiel Mitleid, Hass usw. Ein Tagebuch zeigt jedoch für den Aufmerksamen einen ganzen Komplex von Eigenschaften auf, es gewährt in gewissen Umfang bereits ein Charakterbild.

Provokation durch Tradition (Variationen)

Kunst bedeutet auch Zorn. Und Zorn ist ein blockierter Wunsch. Ein sehnlicher Wunsch etwas wild um sich zu werfen…

Nachdenklich kratze ich diese Überlegungen in eine Tischplatte aus Mahagoni. Dann geht mein Blick hinüber zur Wand. Dort hängt ein Gemälde. Mit einer Mickey Mouse als Motiv.

Aber meine Gäste scheint dies überhaupt nicht zu interessieren. Diese Mickey Mouse, sie scheint böse zu grinsen!  „Die Nacktbilder, meine Lieben,“ sinniere ich belustigt, „liegen bei mir auf dem Kaminsims. Im Nebenzimmer.“ Ja, meine Kaminsimse haben es wirklich in sich! Oder auf sich…

… „Wie ihr wollt.“  Wirkte ich etwa irgendwie erschüttert, als man die Nacktbilder, es war vor geraumer Zeit während einer never-ending-Party, dort auf dem Kaminsims entdeckte?

… Und man mir natürlich flugs eine fehlende Kaminsims-Etikette vorwarf? Ach, nein, ich war es nicht! „Fotos von strunz-blöden Sehenswürdigkeiten, die man auf Reisen sich genötigt sieht zu knipsen, sie sind nicht mein Metier. Wirklich nicht.“ So lautete meine halbherzige Entschuldigung. „Dann doch lieber Nacktbilder!“  Die sind mir wirklich lieber!

Lieber, als zum ungezählten Mal ein Foto des Eifelturms. Wer will so etwas noch sehen?:

Ein entblößter Busen dagegen?

„Nacktbilder unter einer Mickeymaus. Du Schuft! Ehrlich, wir sagen so etwas nicht zum Spaß.“ (Das tun Kritiker nie! Etwas aus Spaß.) „Dabei ist es wirklich nicht so, dass es sonst nicht zu tun und zu besprechen gegeben hätte: Philip Seymour Hoffman ist tot. Und auf Twitter gibt es einen Stau. Man kommt einfach nicht mehr hinterher.“

Tja… so ist es: niemand kommt hinterher. Niemand. Nie. Wen zeigten diese (Nackt-) Bilder eigentlich? Anima, die große Seele? Oder zeigten sie Carola?

Eine Lisa? Anna? Vielleicht Susanne? Sollte ich etwas zu sehen sein? „Wie… Ich!!!!!!??“

Wer war es aber dann, der sich so abbilden ließ? Wer?! Nur soviel: Fragliche Person hatte sich aufs Bett gelegt und gesagt: „Mach mit mir, was immer du willst!“

Zeigten die Bilder nun also das Vorspiel? Oder die Inszenierung?

„Für mich ist die Schauspielerei eine Quälerei, weil ich weiß, was für eine wunderbare Sache sie ist.“ Ein Zitat von Philip Seymour Hoffman. Nachdem sie dies, auf der Seite liegend, zu mir gesagt hatte, legte sie sich auf den Rücken. Sie blickte zur Decke, schloss die Augen. Sie breitete ihre Arme aus… und ich saß da.

Ich saß einfach da. Und ließ peinlicherweise nur den Intellektuellen raushängen, in dem ich zu ihr sagte: „Es gibt Niveacreme, Kelloggs Cornflakes, und es gibt Philip Roth. Nivea ist die sanfte Creme, Kelloggs Cornflakes sind knackig, knusprig, nussig, und Philip Roth ist der, der mit einem Stück Leber onaniert.“ Mit dem sicheren Gefühl etwas sehr spitzfindiges gesagt zu haben, schaute ich auf die Frau. Und grübelte zugleich ein kleinwenig über die Flüchtigkeit jenes Spiels, über seine Momenthaftigkeit.

Die Frau lächelte mich an. O, es war wie das Lächeln der Medusa! Oder das eisige Lächeln eines Dienstmädchens, dass viel zu wenig Trinkgeld bekam. Dabei wollte ich doch wirklich nur spielen… so, wie sie so dalag…

… ihre weiße Haut(schicht), eine Szene, eine wunderbare Szene, ich erkannte ihre Schönheit, erkenne sie immer wieder… ein wesentlicher Grund, warum ich spiele… ihre Schönheit… ich wollte sie:

Steile Landehügel, weiche Hautschichten, rückwärts gedrehte Haarstränge, Geschlechter, die sich Hoffnung machen… Jetzt erst fiel mir auf, dass sich an meinen Fenstern überhaupt keine Vorhänge befanden. Nicht im Wohnzimmer. Nicht im Schlafzimmer. Nicht im Kaminzimmer. Nirgends Vorhänge. Über dem Kamin hing damals (wie heute übrigens immer noch) ein Foto mit… „Schon wieder eine Mickey Mouse!“

Merkwürdig. Einige meiner Möbel sind inzwischen in einer Ecke des Kaminzimmers zusammengestellt, wie zum Verkauf. Ich spüre eine seltsame Leere. Vor den Fenstern: ein Kirschgarten, in dem gerade eine mir völlig unbekannte Frau Flamenco tanzt.

Alles ist sehr merkwürdig…

(Ich denke, es wird ein Traum sein. Ich befürchte, es wir ein Traum bleiben.)

Schneewittchen

Schneewittchen und die 7 Zwerge. Oder einfach nur: „Gang Bang.“

Gangbang (oder auch Gang bang) steht hier für eine Spielart des Gruppensex. Vielleicht ist diese kleine, schüchterne Erklärung aber auch nur wieder ein weiteres Märchen. Wie bedauerlicherweise so vieles in unserem Leben…

Ich habe mich übrigens dem Phänomen „Gang Bang“ gerne einmal (aber leider nur rein theoretisch) genähert. Und dabei mit Betroffenheit festgestellt, dass sich die Personen, die sich in diesem besonderen Spiel um Sehnsucht und Geilheit übereinander schieben, selten richtig begrüßen. Es wird geschnauft. Aber eben nicht richtig gegrüßt.

Okay… manchmal ist es einem lästig, zu grüßen. Vor allem dann, wenn man gerade voll am „&%!!+!“ ist. Oder… zum Beispiel deswegen, weil man vielleicht einen Schirm in der einen und ein Paket in der anderen Hand trägt…

Sich der Grußpflicht in einem solchen Fall zu entziehen, indem man so tut, als bemerke man den zu Grüßenden nicht, ist ein Experiment, das immer daneben geht. Es ist nämlich zu durchsichtig.

Außerdem ist der Versuch, sich der Grußpflicht zu entziehen, deshalb auch linkisch, weil man bei anderweitiger Beanspruchung beider Hände ja nicht eine Hand umständlich befreien muss, um den Hut zu ziehen.

Man kann in einem solchen Fall ruhig mit einem verbindlichen Lächeln und einer netten Verbeugung den Gruß auch mit dem Hut auf dem Kopf vollziehen. Nur ein dämlicher Partner wird sich daran stoßen. Tja… stoßen, das wird er…

(Diese kleine grafische Reihe „widme“ ich meinem Freund Sven Pacher! „Lieber Sven, Du hast diese Art der Collage ja inzwischen regelrecht kultiviert: Folie auf Folie auf Folie auf Papier. Du weißt, ich liebe Deine Arbeiten. Und: Wir sollten unbedingt mal wieder mit einander frühstücken gehen. Ruf mich an!“ )

In der Ausstellung

Der Besuch von Museen und insbesondere von Kunstausstellungen sei nur demjenigen empfohlen, der für das zur Schau Gestellte das nötige Interesse und Verständnis aufbringt (Dies gilt selbstverständlich auch für meinen BLOG)!

Menschen, die nur hingehen, damit sie sagen können, sie seien dort gewesen, fallen sogleich auf. Man merkt es an der Art, wie sie die Dinge betrachten, dass sie ihnen verständnislos gegenüberstehen.

Die Verständnislosigkeit kann aber auch bei sehr künstlerisch veranlagten, normalen Menschen eintreten. Sie brauchen nur einmal in eine Ausstellung zu gehen, wie sie kubistische oder überrealistische Bildner von Zeit zu Zeit veranstalten.

Es wäre unrichtig vom Verfasser, über diese Art von Darstellungen Ungünstiges zu sagen, denn man soll jedem seine – wenigstens vorgeschützte – Meinung oder Überzeugung lassen, sofern sie einen nicht belästigt.

Unrichtig ist es, Kinder in Kunstausstellungen mitzunehmen, weil sie noch nicht die nötige Reife für eine Kunstbetrachtung aufbringen können.

Wer eine Kunstausstellung besucht, darf sich nicht darüber aufhalten, dass man Schirm, Stock, Tasche, Pakete und dergleichen in der Garderobe abzugeben bittet. Es gibt Leute, die meinen, wenn ich schon „etwas für die Kunst tue“ und einen Eintrittspreis im Museum bezahle, dann soll man nicht noch von mir Garderobegebühren einheben. Solche Leute sollten auch lieber zu Hause bleiben.

Denn erstens müssten sie wissen, Dass ein Kunstraum eine Art von Tempel ist, der seine gewisse Weihe hat und vom Besucher verlangt, diese zu berücksichtigen. Dann sollten diese Leute bedenken, dass sie ja auch nicht eine Wohnung betreten würden, ohne Schirm, Stock und Pakete abzulegen; schließlich sollten sie sich darüber klar werden, dass es die Aufseher es nicht leicht haben, aufzupassen…

Schließlich könnte man ja auch ein Dieb sein und einen Gegenstand stehlen und der Überrock oder Schirm usw. könnte den Gegenstand gut verbergen.

(Dieser überaus unterhaltsame Text stammt aus: „Der gute Ton von heute“; Gesellschaftlicher Ratgeber für alle Lebenslagen; 1953) (Ich glaube, ich werde mit diesem Text auf Lesetournee gehen. Und seine lustige Wahrhaftigkeit hinaus in die Welt trällern und jubilieren.)

Vielredner

Gemeint sind hier nicht Leute, die berufsmäßig oft Reden halten müssen, sondern Leute, die solche Reden gerne übermäßig ausdehnen, dann Leute, die gewohnheitsmäßig keinen Augenblick schweigen können und solche, bei denen die Redseligkeit nur Vorgabe ist, während sie lediglich einen bestimmten, verborgenen Zweck verfolgen. Ahhh…jaa… ich überlege…! Aber was, wenn man berufsmäßig viele Reden halten muss, gewohnheitsmäßig viel zu viel redet und vor allem viel zulange redet (selbst dann, wenn man nur nach der Uhrzeit gefragt wird)? Dies würde vielleicht nur deshalb getan, weil man einen bestimmten, verborgenen Zweck verfolgt, nämlich den: man möchte unterhalten! Zu so einer Beschreibung (einer mehrfachen Randgruppe) fällt mir jetzt gerade nur ein einziges Gesicht ein:

Man behauptet, dass alle diese Leute (s.o.), die zu viel und zu lange reden, wissen sollten, dass es nur gute Erziehung ist, wenn man ihnen mit scheinbarem Interesse auf die Dauer zuhört. In Wirklichkeit sind sie den anderen Menschen ebenso zuwider, wie etwa ein Motorrad denen zuwider ist, die gerne Ruhe und gute Luft haben. (Aha. Ich glaube, jetzt verstehe ich gerade erst diese bodenlose Stille um mich herum.)