# 300

Der Tod wäre ein guter Anfang, schreibt ein Kritiker. Am Anfang war der Anfang, sage ich. Es gibt keine Alternative! Ein in die Zukunft gerichtetes Sein. Der Anfang ist wie ein Sprung von einem Hochhaus. Es ist der magische Moment der Kunst. Die Dunkelheit setzt ein. Das Licht auf der Leinwand? Das erste Bild! Rein oder raus. Ja oder nein? Es ist wie ein Blinddate oder der erste Blickkontakt mit einem Fremden. Aber dies hier ist kein Anfang. Schon längst nicht mehr. Dies ist mein 300. Artikel. Ich lege ihn hier sanft ab… ein Brief an das Licht… und tanze in den Mai.

Veröffentlicht unter Kunst

Faszination der Lust

Eigentlich wollte ich das obige Bild mit folgendem Titel versehen: „Faszination der Lust und des Zeichnens oder auch meine unendlich-barocke Leidenschaft am Fabulieren, an Sinn-Perspektiven, Altershoffnungen, sowie Engelsphänomenen, also an Dingen der künstlerischen Kurzweil, die sich einstellen bei meinem Mann um die fünfzig Jahre, wenn er nicht gerade an Kleidung, als auch an sein Haus, gleichzeitig an sein Vermögen (=) seine Aktien, seine fiebrigen Gedanken verschwendet…“ Es folgten dann noch weitere zweiunddreißig Zeilen, aber ich fand den Titel dann doch etwas zu lang. „Den kann man sich doch unmöglich merken“, dachte ich bei mir… und signierte… kurz und bündig.

Veröffentlicht unter Kunst

Was für eine Wonne !?

Ach, unsere Vernunft! Sie hat mehr mit dem Schlaf, dem Traum und den Monstrositäten zu tun hat, als ihrem gott-verdammten rationalistischen Selbstverständnis lieb sein kann. Ist es doch die Vernunft (und nicht etwa die schiere Unvernunft oder die Phantasie), die da schläft und träumt und eben die Monstren erzeugt, die sie überwunden zu haben glaubt. Das also ist des Pudels Kern: dass nämlich „die Summe unserer Existenz, durch Vernunft dividiert, niemals rein aufgehe, sondern dass immer ein wunderlicher Bruch übrig bleibe.“

BINGO!!!! Die Horen bepurpurten alles mit Rosen und sonstigen Blumen, die Grazien sprengten Balsam, auch ließen die Musen Lieder erschallen. Nachher sang Apollo zur Leier und Venus tanzte elegant im Taktschritt zu lieblichen Weisen; dabei war die Bühne so arrangiert, dass die Musen Chorlieder sangen, ein Satyr die Flöte blies und ein Panbürschlein zur Rohrpfeife deklamierte. So wurde Psyche rechtmäßig Cupido zugesprochen. Und als die Zeit der Niederkunft heran ist, wird ihnen eine Tochter geboren, die wir unsere ‚Wonne‚ nennen.“

Verflüssigung innerer Gewissheiten

Das muss Blut sein! Es ist Sauce für einen großen Teller mit einem kleinen Häuflein nouvelle cuisine. Wie sich jetzt alles in Sekundenschnelle ereignet, Kopfbilder und Assoziationen, Lektüre-Erinnerungen und Vorahnungen etwaiger Gemütsproben zum Bewußtseinsstrom verdichtet, ironisch in die kalte Reinheit eines Nouvelle Cuisine-Tableaus auflösen, ist ein bewunderungswürdiger Auftakt: Seid guten Mutes, Madame, und lasst Euch nicht durch leere Traumgespinste schrecken!

Aber erzählen wir nun lieber die ganze Geschichte… von Anfang an: Das sterbliche Mädchen Psyche ist so schön, dass die Menschen den Kult um die Göttin Venus vernachlässigen… Mit anderen Worten: Es ist eine Geschichte, in der auch im Folgenden Träume, Phantasien, Vorgestelltes und die Verflüssigung der inneren Gewissheiten, ihre Auflösung in den Objekten das Thema sind. Denn abgesehen davon, dass schon Tagtraumbilder als falsch gelten, deuten auch nächtliche Visionen manchmal die gegenteiligen Geschehnisse in ihren Bildern an.

Die meisten Geschichten (auf meinem BLOG mit Sicherheit) sind unverfilmbar, besonders gute; und diese hier erst recht! Man muss hören können. Mehr noch…SEHEN.

So eine Geschichte lebt von der Beschreibung eines Milieus und seiner Epoche, der inneren Verschmelzung von einer historischen Zeit, die gerade so weit zurückliegt, dass man fast glauben möchte, es habe sich gar nichts geändert seit damals. So versprechen Tränen und Prügel und manchmal auch Ermordung, Profit und glücklichen Gewinn.

Dagegen Lachen und Genuss von leckeren Süßigkeiten oder die lustvolle Vereinigung in Liebe sagen voraus, dass man mit seelischem und körperlichem Schmerz und sonstigen Schäden gepeinigt werden solle… Okay?! Die Faszination liegt wohl genau darin: Dass an Amor alles gleich gültig ist, dass man begreift, dass so einer keine Kunstfigur ist:

… ein exquisit gekleideter Gott, ein teuer parfümierter dazu, ein von Reinlichkeitsobessionen gequälter Gott? Von diesem Amor steckt tatsächlich etwas in uns allen: ein eigentlich ganz normaler, ganz typischer Mensch, der nur etwas weiter geht, als der Rest von uns.

Für den Augenblick

Das Leben ist wundervoll. Es gibt Augenblicke, da möchte man sterben. Aber dann geschieht etwas Neues, und dann glaubt man, man sei im Himmel. Édith Piaf.

Die Auferstehung der Seiltänzer

„Der Minotaurus soll gehemmt werden in seinen verheerenden Wirkungen.“ Unbekannte haben diesen Satz, ich denke, in der Nacht, denn tagsüber sieht man bekanntlich wenig Graffitikünstler um die Häuser ziehen, in Form eines kunstvollen Graffitis auf der Mauer gegenüber von meinem Ateliers hinterlassen. Mit den Augen fahre ich mit wahrer Begeisterung seine Schwünge ab, tauche hinab in zauberhafte Farbnischen, ziehe mich an eleganten Linien heraus oder lasse mich von Farbspritzern zurück auf den Boden der Realität wirbeln. Das Graffiti hat Recht: Der Minotaurus muss ein Künstler sein!  Denn verheerend sind Künstler ja. Und die Gesellschaft, sie meidet den Künstler. Sein Exil erlaubt dem Künstler im Gegenzug aber seine überaus verheerenden und kühnen Tätigkeiten. Denn nur „wer sich alle Laster abgewöhnt hat, dessen Tugenden verkümmern,“ schreibt zum Beispiel Jean Genet in seinem Text „Der Seiltänzer“. Deshalb spanne ich ja auch in meinem Atelier stets das (Hoch)Seil auf. „Wer, wenn er normal und bei Verstand ist, geht schon auf einem Seil (…)? Das ist zu verrückt. Mann oder Frau? Auf alle Fälle Ungeheuer (…) die Schminke wird es wieder mildern; es ist tatsächlich weit verständlicher, dass ein vergoldetes, bemaltes, kurz ein außergewöhnliches Wesen dort ohne Gleichgewichtsstange einhergeht, während die Flickschuster oder die Notare nie auf die Idee kämen, da hinaufzusteigen.“ (aus Jean Genet: Der Seiltänzer)

Wenn einer geht…

Tot? „Für uns zurückbleibende ist das Schock, Trauer, Verwirrung (auch wenn es vorauszusehen war). Für denjenigen selber ist es vorbei in dem Moment, in dem er loslässt und geht.

Wenn nicht ein jäher Schlag wie ein Unfall, Krieg, eine Gewalttat keine Zeit zum Bewussten gehen lässt, dann gehen sie einfach, unsere Lieben, lassen los vom Leben und von uns. So sollten auch wir loslassen. Es hilft auch gar nichts, es nicht zu tun.

Wenn du klammerst, klammerst du an etwas, was nicht mehr da ist. An einem Schatten, einem Gedanken, einem Wort.“

(Ute Küppersbusch, eine liebe Freundin und Kollegin schickte mir diese tröstenden Worte. Danke. Ich werde versuchen loszulassen… nicht mehr festhalten… nicht…)