Maßlos günstig

Mit Zeitungen, meinte mein schnauzbärtiger Freund Friedrich Nietzsche einmal zu mir, sollte man sich nicht einlassen. Das sehe ich indes völlig anders. Ohne meine Lokalzeitung hätte ich eventuell niemals erfahren, dass mein Name Detlef Buch lautet und ich nach der Lektüre meines eigenes Buches vielleicht eine ungefähre (!) Ahnung davon hätte, wie ich als Detlef Bach ticke. Also: ich liebe Zeitungen! Zeitungen sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Und ein Café ohne ausreichend viele Zeitungen, dies wäre kein Café für mich… ohne Rückgrat und Rückzugsort möchte ich nicht leben wollen.

KI steht für „Kitschige Intervention“

Bleistifte, Fotos, Ölfarben und Spucke. Ich benutze für meine Lebens-, also meine Künstlerwelt, schlichtweg alles. Also auch mal eine Prise KI. Aber wird das Bild dann nicht kitschig? So fragt die Kritik. Meine Antwort lautet: Nicht, wenn man nur soviel KI „zu Rate zieht“, wie man z.B. ein gutes Gericht mit Salz abschmeckt. Warum also nicht? Für mich stellt das eine lustige kitschige Intervention dar. Genau; salopp möchte ich es so formulieren: Kitsch und Salz, Gott erhalts.

Ansonsten bleibt meine Kunst gerne salzfrei. Oder salzarm. Unser Körper, vielleicht auch die Kunst, braucht sein Salz in der Suppe. Das wissen wir doch alle. Doch zu viel davon ist bekanntermaßen ungesund. Nimmt man kein zusätzliches Salz zu sich, vertraut einfach auf die Salzmengen, die eh in jedem Lebensmittel enthalten sind, dann stellen sich unsere Geschmacksrezeptoren so ein, dass kleinere Mengen von uns geschmeckt werden wie zuvor größere. Genau so sehe ich das auch beim Gebrauch einer KI. Unsere Geschmacksrezeptoren stellen sich darauf ein. Will sagen: Wenn man es nicht übertreibt, wird unser Geschmack und die Kunst es uns danken.

Und noch etwas: Salze wurden in der Lebensmittelindustrie immer schon eingesetzt, um frische aber leicht verderbliche Nahrungsmittel länger haltbar zu machen. Durch ein Verfahren wie Einsalzen, Pökeln oder heute nun durch das „Überarbeiten“ mit einer KI wird eine schlichte Arbeit von mir aus dem Jahr 1986… na, sagen wir, sie wird irgendwie in der Zeit konserviert. Wie Pökelsalz einem Schinken seine rosa Farbe erhält oder der beliebten Aufschnittwurst ihren schönen Anschnitt, so kann eine KI meiner Arbeit aus längst vergangener Zeit wieder Spass am Leben schenken. Das ist doch… herrlich… weil:

Kritik oder „Dein Lob herzu“

Wie soll ich als Künstler mit dem sogenannten Zeitgeist umgehen, mit ihm umspringen, auf ihn reagieren? Wenn ich die Geister, die ich wahrlich nicht rief, mal wieder auf mich zurasen sehe, dann rufe ich lauthals „Stampede“ und bringe mich mit einem gewagten Sprung unter meinem Ateliertisch in Sicherheit. Stampede bezeichnet bekanntlich eine Fluchtbewegung innerhalb einer Tierherde… aber auch in einer Menschenmenge. Eigentlich eine Fluchtbewegung, die die gesamte Masse Tier oder Mensch erfasst und unkontrollierbar macht. Solche Stamedes wurden für uns aber längst zu zeitgenössischen Massenphänomenen, wie z.B. knallbunten Volksfesten, Literaturwettbewerben, wie dem zum Erwerb des Ingeborg-Bachmann-Preises, oder Taylor-Swift-Konzerten. O, ich stelle mich solchen Herden nicht wirklich in den Weg; ich halte der Herde auch kein Bild hin, was meines Erachtens zur Besinnung, zum Innehalten, zum Nachdenken, beitragen könnte. Wer bin ich, dass…? Lieber trete ich zur Seite. Und formuliere mir selber eine mikrosoziologische Theoriebildung, die besagt, ich ziehe mich zurück und abonniere mir die „Zeitung für Einsiedler“, 1808 von Achim von Arnim und Clemens Brentano ins Leben gerufen. Nur auf Papier gedruckt zu erhalten. Keine App. Steht im Impressum der Zeitung. So wie die Rockgruppe QUEEN auf ihren ersten Schallplatten stets vermerke: No Synthesizer. Na, das lobe ich mir doch gerne.

Ratgeber #2

Über das Geheimnis des künstlerischen Schaffens, über den kreativen Menschen, über die Idee des Schöpferischen ist schon so viel geschrieben wurden. Über dieses Wunder namens Kunst, dieses etwas, was aus dem Nichts entsteht und, mag sein, die Zeit überdauert. Ob dieses Wunder aus dem Nichts entsteht, vergleichbar einem Big Bang, dem Anfangsstadium unseres Universums? Vielleicht ist Kunst ja tatsächlich eine extrem schnelle Ausdehnung des Raums. Oder ist ihre Entstehung doch eher gemächlich, möglich beim Hören eines alten Liedes wie „Greensleeves“, ein Lied, dessen Melodie seit dem Elisabethanischen Zeitalter bekannt und beliebt ist, und meinem gleichzeitigen Schauen der Nachrichten, die ich ohne Ton im Fernseher verfolge? Ein buntes Rauschen, es erinnert mich urplötzlich an einen „unermesslichen Himmel…, in dessen Mitte der Andromedanebel schwebt.“ Und dann kommentiert eine Stimme in meinem Kopf die Bilder auf dem Bildschirm mit einem Zitat von Shakespeare und ergänzt noch einmal schnell mit den Dichterworten Dürrenmatts: „durchmessend die Unendlichkeit, mitten in das Herz meines Feindes.“     

Unbewußheit und Bewußtheit paaren sich in mir liebevoll-hemmungslos und bringen ein Kind zur Welt. Es ist ein Bild.

Der autonome Künstler

… seine Entzückungen einzig nur aus sich selber züchten und einzig für sich allein; … völlig gleichgültig und gewichtslos, wieviel ein Buch, ein Geschehnis allen anderen gilt … schön nennt er ausschließlich, was ihm gefällt, richtig, was er augenblicklich als zugemessen erachtet, verächtlich, was er verachtet … Und wer von jenen, die ihre Meinung über ein Buch, ein Bild, ein Ereignis aus scheinbar eigener Wertung formen, hat noch den Mut, sie konsequent zu wagen gegen eine ganze Zeit, gegen eine ganze Welt? … die Luft der Welt steckt in unseren Lungen, in der Herzkammer selbst, unsere Urteile und Ansichten reiben sich an unzählig viel gleichzeitigen und schleifen sich an ihnen unmerklich ihre Spitzen und Schärfen ab, durch die Atmosphäre schwingen unsichtbar wie Radiowellen die Suggestionen der Massenmeinung. (Stefan Zweig)

So sehe ich das.