Eine Larve mit zwei Gesichtern

Die totgeborene Schwester wird lebendig in meinem Larvenbild. Es gilt ihr zu zeigen, was sie im Leben versäumt. Ihr lege ich meine Bilder zu Füßen. Wo ich bei anderen nicht hinhöre, da darf sie mich kritisieren. Ihr versuche ich ähnlich zu werden. Will ihre Stimme aus Porzellan in mir hören, eine Stimme, die imstande ist zu erzählen von einem Tod, der schon vor dem Leben kam.

„Liebste Camass, Dein Herz aus Kaolin, Quarz und Felsspat, bebrannt bei 900 bis 1000 Grad Celsius, viel zu heiß und viel zu groß, als das es Platz in Deiner Brust finden könnte. Dein Tod kühlte alles ab, ließ Dein Herz wieder schrumpfen und legte es in Deinen Körper zurück. Dein Herz hörte nie auf zu schlagen, weil meine Gebete es wachhielten bis in alle Ewigkeit. Und weit darüber hinaus. Meine Küsse, die ich Dir im Traum zuwarf, sie legten die zauberhafte Glasur für Deine Haut fest. Ich mischte die Tonmineralien an, um sie als Dein Bruder und Porzellanmaler zu färben mit Gold- und Platinnuancen…“ 

Platz nehmen im Eis-Café „Zeit“

Das Tolle an den Eis-Cafés meiner Träume ist, es wird nirgends eine Aktennotiz gemacht. Nirgends werden Alimente ausgerechnet und verschoben. Irgendwer stochert allenfalls in einem Buch. Ein Anderer liest aus seinem Kuchen. Aber nie ist das Wort „Morgen“ an die Wand gemalt. Im Café herrscht nur das Hier und Jetzt. Und zwar so intensiv, dass Uhren es schwer haben ihre Zeiger zu bewegen. Ähnlich einem schwarzen Loch, aus dem kein Licht entfliehen kann, existiert im Café keine Zeit. Stunden, Minuten, Sekunden, sie fallen hier in sich zusammen und bilden eine Existenz poetischer Schwere und Gleichmut. Wenn man mich nach meinem Grund der Liebe fragen würde, ich müßte sagen:  „O, ich liebe jedes Café, dass durch seine schwülstige Verschwommenheit definiert ist! Ich liebe Cafés, in denen die letzten Stehgeiger aussehen, als hätte Viktor Frankenstein seine ersten Skizzen am lebenden Objekt gemacht. Auf einem viel zu kleinen Instrument spielen sie herzerwärmende Melodien. So herzerwärmend, dass die Schwäne, die auf dem See vor dem Café dahin gleiten, Tränen in den Augen haben. Ihre Tränen kullern über ihre Federn und es scheint uns, als ob sie ihr weißes Gefieder noch weißer waschen wollen.“ 

Bilder aus unterschiedlichen Zeiten habe ich hier aneinander gereiht. Das heißt: Ich habe mich in das Kleid meiner Zeit gehüllt.

So schön können Träume sich mir präsentieren.

(M)ein non-temporales Gefühl

Ein non-temporales Gefühl in einem temporalen Gebilde, geht das zusammen? „Sehe ich aus, als ob mich das interessiert,“ würde James Bond sagen. Wie könnte es denn aussehen, dieses Gefühl? Ein Bild aus uralten Zeiten, das kommt mir plötzlich in den Sinn, fällt mir in die Hand. Kombiniert mit einem jetzigen Bild legt es Weichen für etwas zukünftiges. Warum denn nicht? Wenn es geschrieben steht, dann will ich es auch zu Papier bringen. In einem kurzen „Jetzt“ verschiedene Zeiten von mir abblitzen sehen. Dann sich zurücklehnen, eine Sekunde an die nächste reihen. Als wäre jede Sekunde ein Schritt, der auf den nächsten folgen muß (?) …